Es ist noch gar nicht so lange her, da war
Angela Merkel mit Europa ganz zufrieden. Nachdem sie maßgeblich den
seit Ende 2009 geltenden Vertrag von Lissabon durchgekämpft hatte,
hoffte sie auf Ruhe – nach acht Jahren Drama um die Generalreform der
Union. Weitere Souveränitätsrechte für die EU? Kein Thema, fand
Merkel. Zumal es die Bürger nicht wollten. Letzteres hat sich nicht
geändert. Doch die ungelöste Schuldenkrise hat sie zur glühenden
Verfechterin für mehr Brüsseler Macht gemacht. Beim kommenden
EU-Cheftreffen sollen erste Pflöcke auf dem Weg zu einer politischen
Union eingeschlagen werden. Sprich: Merkel will vollenden, was
Euro-Vater Helmut Kohl versäumte. Denn die Schuldenkrise hat gezeigt,
dass gemeinsames Geld ohne gemeinsame Politik nicht funktioniert. Die
Krise als Chance für einen vor kurzem noch undenkbaren
Integrationssprung? Das ist möglich, aber nicht kurzfristig. Die
schöne, ferne Vision ist vielmehr auch Ablenkungsmanöver von der
bitteren Realität. Denn da entwickelt sich die Euro-Zone immer mehr
zur Transfer- und Haftungsgemeinschaft auf Kosten Deutschlands.
Merkel bleibt eine Getriebene der Krise. Stück für Stück muss sie
immer mehr Tabus brechen, um die Währungsunion zu retten. Wenn
Spanien und Italien weiter unter Druck geraten, wirken die bisherigen
Kriseninstrumente nicht mehr. Es zeichnen sich Lösungen ab, die
allesamt Merkels Doktrin von nachhaltigem Wachstum durch
Konsolidierung und Strukturreformen in Frage stellen. Klar ist: Die
Rettungsschirme reichen nicht, um die dritt- und die viertgrößte
Volkswirtschaft der Euro-Zone aufzufangen. Die Europäische
Zentralbank wird in der Folge immer mehr zum Staatsfinanzierer.
Deutschlands Bonität soll den Problemstaaten geringere Zinsen
bescheren. Das ist das Konzept hinter Eurobonds in all ihren Formen
und Vorstufen. Das Grundprob-lem bleibt dabei: Der
Konsolidierungsdruck auf die Krisenstaaten sinkt de facto. Denn die
Schuldenmacher bekommen wieder billig Geld, weil Deutschland höhere
Risiken trägt.
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