Badische Neueste Nachrichten: Echte Chance

Bei dieser Parlamentswahl haben die Georgier
über die politische Zukunft ihres Präsidenten Michail Saakaschwili
abgestimmt. Eigentlich hatte Saakaschwili vorgehabt, nach dem Vorbild
Wladimir Putins vom Sessel des Präsidenten in den des Regierungschefs
zu wechseln. Bei der Präsidentenwahl 2013 hätte er nach zwei
Amtszeiten nicht mehr antreten dürfen. Das Wahlergebnis macht
Saakaschwili einen Strich durch die Rechnung. Alles spricht für einen
Sieg der Opposition. Und so widersprüchlich das scheinen mag: Es ist
auch Saakaschwilis Verdienst, dass es so gekommen ist. Denn anders
als in Russland, Weißrussland oder Kasachstan war der Wahlausgang in
Georgien offen. Die Opposition hatte eine echte Chance, an die Macht
zu gelangen. Glaubt man den Wählerbefragungen, dann hat sie diese
Chance genutzt. Seit Saakaschwili nach der Rosenrevolution 2004
Präsident wurde, hat er sein Land auf einen prowestlichen Kurs
geführt. Mittlerweile ist Georgien mit Ausnahme der baltischen
Staaten die einzige Ex-Sowjetrepublik, die die Annäherung an EU und
Nato aktiv betreibt und demokratische Normen auch umsetzen will. Doch
viele Georgier werfen Saakaschwili einen autoritären Regierungsstil
vor. Dass er ein unberechenbarer Haudrauf ist, hat er bei dem Krieg
gegen Russland 2008 bewiesen. Georgien ächzt unter dem russischen
Wirtschaftsembargo. Die Bauern können ihre Erzeugnisse beim Nachbarn
nicht absetzen. Armut und Arbeitslosigkeit sind hoch. Die
Unzufriedenheit hat dem Milliardär und Oppositionsführer Bidsina
Iwanischwili genützt. Er will das Verhältnis zu Russland verbessern.
Ein Lakai des Kremls ist er deshalb noch lange nicht. Und es ist ein
Zeichen der Reife der georgischen Demokratie, dass ein friedlicher
Machtwechsel überhaupt möglich ist.

Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de

Weitere Informationen unter:
http://