Badische Neueste Nachrichten: Eine Mini-Reform

Groß waren die Hoffnungen, noch größer die
Erwartungen, als Philipp Rösler, der Gesundheitsminister der
schwarz-gelben Koalition, 2011 zum „Jahr der Pflege“ ausrief. Doch
dann verschoben sich für Rösler die Prioritäten. Erst wurde er 2011
neuer FDP-Chef, dann Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Und das
„Jahr der Pflege“ ging sang- und klanglos zu Ende, ohne dass sich bei
der Pflege irgendetwas getan hätte. Sein Nachfolger, sein damaliger
Staatssekretär Daniel Bahr, hat erst gar nicht versucht, mit
vollmundigen Ankündigungen und lautstarken Versprechungen
irgendwelche Erwartungen zu wecken, die zu erfüllen er ohnehin nicht
in der Lage ist. Der Westfale hat sich auf das Machbare konzentriert
und das Naheliegende in Angriff genommen, auch wenn dies mit Blick
auf die gewaltigen Herausforderungen, vor denen die Pflegekasse
angesichts des bevorstehenden dramatischen demografischen Wandels
steht, auf Dauer viel zu wenig ist und vorne wie hinten nicht
ausreicht, um die Situation der Pflegebedürftigen und ihrer
pflegenden Angehörigen nachhaltig und dauerhaft zu verbessern. Bahr
geht den ebenso einfachen wie bequemen Weg. Er erhöht den
Beitragssatz um 0,1 Prozentpunkte und hat damit 1,1 Milliarden Euro
im Jahr mehr zur Verfügung. Damit soll die ambulante Versorgung von
Demenzkranken deutlich verbessert werden, die bislang durchs Raster
fielen. Dies ist ein überfälliger Schritt, sind doch viele Demente,
selbst wenn sie noch nicht pflegebedürftig sind, auf die Hilfe und
die Unterstützung ihrer Angehörigen angewiesen. Gleichwohl dürften
die in Aussicht gestellten 120 Euro Pflegegeld pro Monat oder
Sachleistungen von bis zu 225 Euro in der Pflegestufe 0 kaum
ausreichen, den tatsächlichen Bedarf zu decken. Und das versprochene
Begutachtungsverfahren für Demenzkranke lässt noch immer auf sich
warten. Auf Dauer wird bei der Pflege kein Weg an einer privaten
Zusatzversicherung nach dem Vorbild der Riester-Rente vorbeigehen, da
die gesetzliche Pflegeversicherung alleine nicht in der Lage ist,
alle notwendigen Leistungen abzudecken. Aber auch zu diesem Thema
sagt der Gesetzentwurf von Daniel Bahr nichts, weil sich die
Koalitionäre nicht über die Ausgestaltung und die staatliche
Förderung dieser Versicherung einigen können. So bleibt es bei der
Mini-Reform, mit der sich die Koalition zwar über die
Legislaturperiode rettet, aber die substanziellen Probleme bei der
Pflege nicht löst.

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