Die Angst geht um in der FDP. Die Angst vor
einem Leben ohne Politik. Sollten die Liberalen die
Fünf-Prozent-Hürde gerade so meistern, dürfen nur noch die Liberalen
auf den Wiedereinzug in den nächsten Bundestag hoffen, die auf ihren
Landeslisten einen vorderen Platz ergattern. Entsprechend groß ist
die Nervosität unter den 93 Abgeordneten der Fraktion, die gerade in
Mainz in Klausur gegangen sind: Nach der großen Nominierungsrunde,
die im Herbst beginnt, kann mehr als die Hälfte von ihnen schon
einmal den Mietvertrag für die kleine Zweitwohnung in Berlin
kündigen. Für diese Abgeordneten war die Politik tatsächlich nur
Macht auf Zeit. Drei Jahre nach dem Traumergebnis von 14,6 Prozent
hat die FDP sich noch immer nicht von ihrem Realitätsschock erholt.
In der Euphorie des Erfolges hatte sie damals unterschätzt, wie sehr
elf Jahre in der Opposition eine Partei verändern, wie leicht es ist,
einfach nur gegen etwas zu sein, und wie schwer es ist, ein Land aus
dem Stand heraus mit- zuregieren. Dieses großspurige Verständnis von
Macht liegt noch immer wie eine Hypothek auf der FDP, der halbherzige
Wechsel von Guido Westerwelle auf Philipp Rösler hat daran nicht viel
geändert. Im Gegenteil: Befreit vom Parteivorsitz hat der eine sich
bald zu einem respektablen Außenminister gemausert, während der
andere allmählich zur tragischen Figur der Freien Demokraten wird. Im
Prinzip geht es Rösler nicht anders als vor ihm Westerwelle: Er hat
mit seinem Versprechen, nun werde geliefert, bei Wählern und
Mitgliedern Erwartungen geweckt, die er nicht erfüllen kann. Mal sind
es Sozialdemokraten und Grüne, die mit ihrer destruktiven Mehrheit im
Bundesrat das Entschärfen der Steuerprogression behindern. Mal ist es
der eigene Koalitionspartner, der sich gegen den Wegfall der
unpopulären Praxisgebühr oder einen liberalen Weg beim Speichern von
Daten auf Vorrat sperrt, mal legt sich die FDP selbst quer wie beim
christsozialen Betreuungsgeld. Zum Teil sind die Probleme dabei
hausgemacht, weil die Liberalen sich mit dem jungen Rösler einen
Vorsitzenden gewählt haben, von dem sie wussten, das ihm jene
natürliche Autorität noch fehlt, die ihn zu einem gleichberechtigten
Partner neben Angela Merkel und Horst Seehofer macht. Mit der Zeit
allerdings wird auch Rösler selbst zum Problem: Nicht nur, das er
seine Stellvertreterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wie eine
Oppositionsfrau rüffelt und rüffeln lässt – einer Partei, die so
lange von einem bekennenden Europäer wie Hans-Dietrich Genscher
geführt wurde, nimmt man Röslers neue griechen-kritische Attitüde
nicht so leicht ab. Liberale, die sich ihrer selbst gewiss sind,
haben solche Manöver nicht nötig. Um sicher über die fünf Prozent zu
kommen, wird die FDP vor allem ihre Stammwähler mobilisieren müssen,
die mittelständischen Unternehmer, die Ärzte, Steuerberater und
Apotheker – und bei denen steht derzeit Fraktionschef Rainer Brüderle
deutlich höher im Kurs.
Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de
Weitere Informationen unter:
http://