Badische Neueste Nachrichten: Große Einfalt

Gefährliche Angriffe auf die Pressefreiheit
sehen anders aus: Dass ein Parteisprecher zum Telefonhörer greift, um
einer Fernsehredaktion einen Beitrag über den politischen Gegner
auszureden, gehört eher in die Rubrik Realsatire. Dass die CSU ins
Comedy-Genre abgleitet, ist kaum zu fassen, aber anscheinend wahr –
und gar nicht lustig. Die Isargate-Komödie erinnert so gar nicht an
die einst perfekt organisierte Partei eines Theo Waigel. Und schon
gar nicht an Franz Josef Strauß, der so gerne an sein 11. Gebot
erinnerte: Du darfst Dich nicht erwischen lassen! Die CSU von heute
legt es womöglich gar nicht darauf an, nicht erwischt zu werden. Das
zeugt entweder von Hochmut oder – wahrscheinlicher – von großer
Einfalt. Es ließe sich auch so formulieren: Wozu mühsam
Überzeugungsarbeit leisten, wenn es auch per Kommando klappen könnte?
Das ist auf jeden Fall kein Zeichen von Macht, sondern allenfalls ein
Indikator für Selbstüberschätzung. Wer weiß, wie sensibel Redakteure
öffentlicher Rundfunkanstalten auf den Verdacht der Parteilichkeit
reagieren, der sollte deren Selbstachtung nicht herausfordern. Dass
Horst Seehofer selbst die Spielregeln gut kennt und geschickt mit
ihnen umzugehen weiß, spricht gegen die Theorie, dass er hinter der
Affäre stecke. Wahrscheinlich ist weit eher, dass sich da
Parteistrategen verselbstständigt haben, die mit den
Zweidrittel-Regierungsmehrheiten eines Edmund Stoiber nach oben
geschwemmt wurden – und noch nicht gemerkt haben, dass die
vermeintliche Allmacht längst verspielt wurde. Auch mit Eskapaden wie
der aktuellen, die nicht nur Oppositionelle fragen lässt, ob diese
Partei noch bei Trost ist.

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Klaus Gaßner
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