Badische Neueste Nachrichten: Kein Fingerspitzengefühl

Verdienen Kanzler zu wenig, wie SPD-Chef Gabriel
behauptet? Oder kassieren Abgeordnete wie Peer Steinbrück einfach zu
viel nebenbei, wie andere glauben? Der SPD klebt das peinliche Thema
wie ein Kaugummi am Absatz. Aber es hat an Unterhaltungswert
eingebüßt. Gibt es überhaupt so etwas wie eine leistungsgerechte
Bezahlung in der Politik? Bei einem Verkaufsmanager liegt der Maßstab
seiner Leistung auf der Hand: Absatz, Umsatz, Gewinn. Aber wie soll
man Politiker bewerten? Nach der Zahl ihrer Reden, ihrer Gesetze,
ihrer Wahlergebnisse? Alle Versuche, den Geldwert der Politik zu
vermessen, sind Unfug. Aber wenn selbst der Leiter einer mittelgroßen
Sparkasse bereits mehr als die Kanzlerin verdiene, so sei das
unangemessen, beklagt sich SPD-Chef Sigmar Gabriel – nicht ganz zu
Unrecht. Die Abgeordneten unserer Parlamente werden, abgesehen von
einigen herausgehobenen Positionen, alle gleich bezahlt. Ein stummer
Hinterbänkler erhält die gleichen Diäten wie ein kreativer
Dampfplauderer. Darin schlummert eine Versuchung, wie im Fall
Steinbrück zu besichtigen ist. Der designierte Kanzlerkandidat der
SPD, dessen Nebeneinkünfte jetzt auf rund zwei Millionen Euro
veranschlagt werden, lässt sich seinen Marktwert als Redner,
Ex-Finanzminister, Ex-Ministerpräsident, als Buchautor und
Aufsichtsrat fürstlich vergolden. Das ist grundsätzlich nicht
verwerflich, sofern er alle Nebeneinkünfte versteuert (was offenbar
auch geschehen ist). Doch die schiere Menge der Nebenverdienste gibt
Anlass zu Bedenken. Auch SPD und Grüne bekommen Bauchschmerzen, wenn
sie die Summen sehen. Steinbrück fehle Fingerspitzengefühl, murmelt
die Linke seiner Partei. Der Grüne Trittin kleidet seine Kritik in
die vornehme Warnung, man dürfe die Diäten nicht zu Nebeneinkünften
machen. Im Klartext: Wer so viel Kasse nebenbei macht, degradiert
seinen Hauptberuf als Volksvertreter zur Nebensache.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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