Der Dschinn ist aus der Flasche befreit. Ein
überraschendes Versprechen von Premier David Cameron hat
Großbritannien in Aufruhr versetzt. In London wird leidenschaftlich
über einen Zeitplan für ein mögliches EU-Referendum diskutiert.
Genüsslich werden die Vor- und Nachteile einer „splendid isolation“
diskutiert. Cameron strebt allerdings gar keinen Austritt an, sondern
er will lediglich eine „flexiblere und weniger belastende“ Position
seines Landes in der kriselnden EU aushandeln, über die die
Inselbewohner später abstimmen sollen. Jedoch hat sein Kurswechsel
hin zu einem Referendum auf der Insel Tür und Tor für eine emotionale
Debatte mit großem destruktiven Potenzial geöffnet, die zu einem
möglichen Untergang der konservativ-liberalen Regierungskoalition
führen könnte. Der „pragmatische Euro-Skeptiker“ in der Downing
Street Nummer 10 versucht seit Monaten einen schwierigen Drahtseilakt
in Brüssel: Zwar klopft Cameron in den Verhandlungsrunden ab und zu
laut auf den Tisch, um von den Euro-Skeptikern daheim gehört zu
werden. Zugleich bemüht er sich, konziliant genug zu sein, damit die
Stimme seines Landes weiterhin im Ausland gehört wird. So stieß der
Tory-Vorsitzende mit der Ablehnung eines großen EU-Vertrags im
Dezember seine EU-Kollegen vor den Kopf. Andererseits weigerte er
sich, den Moment der Schwäche in Europa zu nutzen, um einen Streit
über einen Sonderstatus seines Landes loszubrechen. „Wir wollen kein
Referendum“, erklärte Camerons Sprecher im Herbst. Warum also jetzt
dieser Umschwung? Es spricht einiges dafür, dass Cameron den Korken
aus der Flasche mit dem Geist unfreiwillig gezogen hat. Anders als
vom Premier erhofft, geben die europakritischen Rebellen auf dem
rechten Flügel keine Ruhe. Camerons Gegner haben außerdem einen neuen
Anführer bekommen, der dem Parteichef gefährlich werden könnte. Acht
Monate nach seiner Entlassung wegen einer Affäre um Dienstreisen
eines Freundes meldet sich der frühere Verteidigungsminister Liam Fox
in der Öffentlichkeit zurück, um einen harten Kampf um britische
Interessen in Europa anzukündigen. Der einflussreiche Konservative
sieht sich als ein Sprachrohr der frustrierten Parteibasis und der
britischen Massen, die Europa als Hindernis und als Last empfinden.
Camerons überraschendes Referendumsangebot ist ein Präventivschlag
mit dem Ziel, einen Konkurrenten zu neutralisieren und die Kritiker
zu beschwichtigen.
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Klaus Gaßner
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