Badische Neueste Nachrichten: Mehr Ehrlichkeit

Spricht man in Russland über die EU, dann
interessiert die Russen vor allem eines: Wann kommt die Abschaffung
der Visapflicht? Seit Jahren beteuern die Vertreter aus Brüssel und
Moskau, dass sie an einer Lösung des Problems arbeiten. Und seit
Jahren sind die Fortschritte minimal. Auch der jüngste
EU-Russland-Gipfel brachte in dieser Hinsicht keinen Durchbruch.
Schuld daran ist vor allem die Unehrlichkeit der Europäer. In
Lippenbekenntnissen preisen sie die Visafreiheit als gemeinsames
Ziel, um dann in den Verhandlungen eine bürokratische Hürde nach der
anderen zu entdecken. Der wahre Grund für dieses Hinauszögern:
Innerhalb der EU gibt es tief sitzende Ressentiments gegen Russland.
Brüssel fürchtet Gefahren für die Sicherheit, weil russische Pässe
nicht fälschungssicher sind und die Behörden nicht genug gegen
Korruption und organisiertes Verbrechen tun. Größer noch ist die
Angst vor einer Welle illegaler Einwanderer aus Russland und aus den
verarmten Ex-Sowjetrepubliken. Die zunehmende Missachtung der
Menschenrechte in Russland ist ein weiterer Grund, um die
Ressentiments innerhalb der EU noch weiter wachsen zu lassen. Genauso
wie die provokativen anti-westlichen Töne, mit denen sich Vertreter
des Putin-Systems gerne hervortun. Es bräuchte also mehr Ehrlichkeit
und mehr Realitätssinn im Umgang mit einander. Die Russen müssten
einsehen, dass die Kalte-Kriegs-Rhetorik ein Anachronismus ist, der
in die moderne Weltordnung nicht passt. Und die Europäer sollten
offen sagen, was ihnen Angst und Unbehagen macht.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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