Badische Neueste Nachrichten: Neuer Schwung für Obama

Es ist ein klarer Sieg für Barack Obama. Ein
Überraschungssieg, wenn man es daran misst, mit welcher Skepsis sich
manche Richter die Argumente pro Gesundheitsreform angehört hatten.
Gut vier Monate vor der Präsidentschaftswahl hat das amerikanische
Verfassungsgericht das zentrale innenpolitische Projekt des längst
nicht mehr schillernden Hoffnungsträgers bestätigt. Kein Zweifel,
Barack Obama holt damit Schwung für das anstehende Duell ums Oval
Office. Im Wesentlichen kann nun ein Gesetz in Kraft treten, das
einen Anachronismus beenden soll: Als letztes unter den wohlhabenden
Ländern der westlichen Welt wollen auch die USA endlich die Pflicht
zur Krankenversicherung einführen. Obama hat sein gesamtes
politisches Kapital darauf verwendet, die hart umkämpfte Novelle
durchs Parlament zu bringen. Er bewies Standfestigkeit, als der
heftige, bisweilen grob unsachliche Streit über den „Affordable Care
Act“ die Emotionen aufwühlte, als ihn Tea-Party-Poster entweder als
Diktator zeigten oder als grinsenden Clown. Er ließ sich auch dann
nicht beirren, als ihm Berater ans Herz legten, auf den großen Wurf
zu verzichten und stattdessen hier und da an den Stellschrauben des
exorbitant teuren, reparaturbedürftigen Gesundheitssystems zu drehen.
Was immer man sonst über den vorsichtigen Pragmatiker Obama sagen
mag, beim Meilenschritt Gesundheitsreform bewies er Rückgrat. Sicher,
nach dem Urteil wird er sich hüten, in eine Art Jubelpose zu
verfallen, denn nach Jubel ist seinen krisengeplagten Landsleuten
derzeit nicht zumute. Doch innerlich wird er triumphiert haben, in
der Einsamkeit des Oval Office dürfte ihm ein Stein vom Herzen
gefallen sein. Für nüchterne Gelassenheit war kaum Platz in diesem
Diskurs, nicht in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, leerer Kassen und
heftiger Selbstzweifel, wie sie eigentlich untypisch sind für die
Vereinigten Staaten. Das Solidaritätsprinzip der Gemeinschaft, die
Tea Party hat es attackiert, als begebe sich das Land auf eine
gefährliche Rutschpartie in Richtung Sozialismus und
Mangelwirtschaft. So schrill die Argumente klangen, Obamas Gegner
hatten die Debatte bereits zu ihren Gunsten gedreht, als die Damen
und Herren in den schwarzen Roben den Fall noch gar nicht
behandelten. Eine Mehrheit der Amerikaner sieht mittlerweile in der
Reform einen Irrweg, bei der sich der Staat allzu aufdringlich
einmischt in die Belange des Einzelnen. Ob der Richterspruch etwas
ändert an der Stimmungslage, wird man abwarten müssen. Der Präsident
wird Fingerspitzengefühl beweisen müssen. Fest steht einstweilen nur:
Sein Kraftakt ist nicht umsonst gewesen.

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Klaus Gaßner
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