Badische Neueste Nachrichten: Nichts ist unmöglich

ast eine Stunde hat Angela Merkel beim Parteitag
der nordrhein-westfälischen CDU am Wochenende geredet – und ihren
Herausforderer mit der Höchststrafe belegt. Nicht einmal nannte die
Kanzlerin seinen Namen, obwohl auch sie längst in den Wahlkampfmodus
geschaltet hat. Den Gefallen, ihm durch eine öffentliche
Auseinandersetzung zu zusätzlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen, wird
sie Peer Steinbrück nicht tun – zumindest bis zu ihrem TV-Duell am 1.
September nicht. Auf den ersten Blick sieht das so aus, als vertraue
Angela Merkel auch diesmal auf die Strategie der asymmetrischen
Demobilisierung, wie es im Neudeutsch der Kampagnenkünstler heißt.
Als wolle sie die SPD und ihre Anhänger einlullen, indem sie
Konflikten aus dem Weg geht und wichtige Anliegen der Konkurrenz wie
die Mietbremse oder den Mindestlohn kurzerhand zu ihren eigenen
macht. Tatsächlich jedoch agiert die Kanzlerin in diesem Wahlkampf
der Milliardenversprechen nicht nur um einiges offensiver als vor
vier Jahren. Sie hat mit der subtilen Sozialdemokratisierung ihrer
Partei auch die strategischen Optionen der Union erweitert. Große
Koalition, Schwarz-Gelb, zur Not auch Schwarz-Grün: Nichts ist
unmöglich – wenn Angela Merkel nur Bundeskanzlerin bleibt. Für jede
dieser Konstellationen hat sie die nötigen Schnittmengen geschaffen.
Das kann man für beliebig halten oder für politisch klug: Elf Wochen
vor der Wahl setzt die Union ganz auf die Karte Merkel, obwohl sie
erst im Januar in Niedersachsen erlebt hat, wie schnell auch der
populärste Spitzenkandidat scheitern kann. Anders als David
McAllister jedoch, der damals den kernigen Konservativen gab, ist der
CDU-Vorsitzenden dieses Lagerdenken fremd. Ihr Problem ist im Moment
auch nicht die fehlende Strahlkraft in fremde Milieus hinein, sondern
eine gewisse Saturiertheit in der eigenen Partei, die bei Werten von
weit über 40 Prozent ähnlich schwer für einen fulminanten Wahlkampf
zu begeistern ist wie die SPD, die im Moment kaum über 25 Prozent
hinaus kommen. Gewonnen hat Angela Merkel die Wahl trotz ihrer
rekordverdächtigen Popularitätswerte noch nicht. Selbst wenn
Steinbrück schier aussichtslos zurückliegt: Darauf kommt es bei einer
Bundestagswahl nicht an. Wenn auch nur drei, vier Prozent der Wähler
bis September die Seite wechseln, könnte es bereits knapp reichen für
Rot-Grün – und deshalb wird die Kanzlerin auch keinen derart
einschläfernden Wahlkampf wie im Sommer 2009 führen. Der hatte zwar
den durchaus gewollten Nebeneffekt, dass die SPD auf ein historisches
Tief fiel. Mit den mageren 33,8 Prozent aber, die die Union damals
einfuhr, wird Angela Merkel diesmal nicht mehr Kanzlerin.

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