Die Zeiten scheinen schon unendlich weit weg zu
sein. Die Zeiten, als Peer Steinbrück mit Magazin-Titeln geschmückt
wurde wie etwa „Er kann es“ und als er in den Umfragen nahe bei der
Kanzlerin stand. Geadelt durch den Ritterschlag von Helmut Schmidt,
versehen mit Finanzkompetenz und dem Talent zur klaren Sprache, ließ
er Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel auf dem Weg zur
Kanzlerkandidatur am Wegesrand zurück. Schon damals hatten manche in
der SPD die Sorge, dass dieser Steinbrück-Hype viel zu früh kommt.
Und genauso ist es gekommen. Nach dem verstolperten Start des
Kandidaten, den sich Parteichef Gabriel im wesentlichen zuzuschreiben
hat, ging es nur noch bergab. Als die Debatte um Steinbrücks
Vortragshonorare endlich abebbte, kam Steinbrücks Äußerung zum
angeblich zu niedrigen Kanzlergehalt hinzu. Bereits vorher hatte sich
Steinbrück, vermutlich beraten von schlauen Strategen aus der
Parteizentrale, als Frauenversteher und obersten Sozialpolitiker der
Partei gegeben. Von der „Beinfreiheit“, die er von der Partei
verlangte, um erfolgreich zu sein, blieb nicht mehr viel übrig,
genauso wenig wie von der Idee, mit Steinbrück in bürgerliche
Wählerkreise einzubrechen. Er selbst hat unterschätzt, dass die
Deutschen zwar einen freigeistigen Welterklärer mit spitzer Zunge
lieben, aber sobald sich jener ins offizielle Rennen um die
Kanzlerschaft begibt, andere Gesetze gelten. Die SPD ist eine Partei,
die bereit ist, sich für einen erfolgreichen Kanzlerkandidaten weit
zu verbiegen. Selbst die SPD-Linke ballte die Faust allenfalls in der
Tasche. Doch was ist, wenn neun Monate vor dem Urnengang die Zeichen
auf Niederlage stehen und demoskopische Demütigungen wie ein Platz in
der Popularitätsskala hinter Guido Westerwelle folgen? In der SPD
schwankt man nun zwischen Entsetzen und verzweifelter Hoffnung auf
eine Wende. Kurzschlussreaktionen wie etwa das Wechseln der Pferde
nach einer eventuell vergeigten Niedersachsenwahl würden aber alles
nur schlimmer machen. So schnell es in der Politik nach oben geht, so
schnell geht es auch wieder nach unten – und umgekehrt. Wer wüsste
dies besser als die Kanzlerin? Steinbrück ist sicher aus dem Holz,
aus dem Kanzler geschnitzt werden. Deshalb müsste er das Trommelfeuer
überstehen. Die Frage ist nur, wie lange die SPD dies durchhält.
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