Die Wahrheit liegt auch diesmal irgendwo in der
Mitte. Natürlich hätten Union und FDP mit etwas mehr Mut die
Neuverschuldung des Bundes im nächsten Jahr noch deutlich unter die
jetzt beschlossenen 17 Milliarden Euro drücken können. So
leichtfertig, wie die Opposition den Regierungsparteien unterstellt,
gehen die allerdings auch nicht mit dem Geld der Steuerzahler um. Mit
einer strukturellen Verschuldung von 0,34 Prozent der
Wirtschaftskraft steht die Bundesrepublik im europäischen Vergleich
glänzend da. Gleichzeitig investiert der Bund so viel wie seit zehn
Jahren nicht mehr. Ein Jahr vor der Wahl haben die Haushälter der
Koalition versucht, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Sie
haben 1,7 Milliarden an ursprünglich geplanten Krediten gestrichen
und mit Blick auf die nahende Bundestagswahl noch zwei, drei kleinere
Duftmarken gesetzt – bei der Kulturförderung, zum Beispiel, oder bei
den Mitteln für das Straßen- und das Schienennetz. Für jede dieser
Maßnahmen gibt es gute Gründe, aber natürlich werden solche Ausgaben
zehn Monate vor der Wahl nicht ohne Hintergedanken beschlossen. Eine
sozialdemokratisch geführte Regierung würde in der gleichen Situation
nicht anders handeln. So atmet der Haushalt für das nächste Jahr in
weiten Teilen den Geist politischer Pflichtschuldigkeit. Er ist weder
ein Dokument übertriebener Sorglosigkeit noch lässt sich aus ihm ein
größerer Ehrgeiz bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen
herauslesen. Dank der unverändert guten Steuereinnahmen kommt die
Koalition auch so einigermaßen über die Runden. Die nächste Regierung
könnte dieser mangelnde Ehrgeiz allerdings teuer zu stehen kommen. In
dem Moment, in dem die Konjunktur einbricht, wird auch der deutsche
Finanzminister ein Problem bekommen. Der alte Grundsatz „Spare in der
Zeit, dann hast Du in der Not“ gilt in der Politik seit jeher nur mit
Einschränkungen. Und in Wahljahren hält sich erst recht niemand an
ihn.
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