Badische Neueste Nachrichten: Provokation

Dass Václav Klaus nicht ohne Eklat aus dem Amt
scheiden würde, war zu erwarten. Mit der überaus großzügigen
Teilamnestie für Gefangene ist ihm einmal mehr eine seiner typischen
Provokationen gelungen. Sie stößt auf nahezu einhellige Ablehnung,
nicht zuletzt auch deshalb, weil Klaus sein „Zeichen der Versöhnung
und des Verzeihens“, wie er seine Entscheidung blumig umschrieb, im
Alleingang setzte, ohne Rücksprache mit der rechtsliberalen Regierung
und der Justiz. Die Oppositionsparteien beschweren sich, davon erst
aus der Neujahrsansprache des Präsidenten erfahren zu haben. Allein
die Zahl der Amnestierten ist ungewöhnlich hoch: 7 400 Gefangene, das
ist ein Drittel der in Tschechien Inhaftierten, kommen in den Genuss
der Begnadigung. Doch hat die präsidiale Geste einen üblen
Beigeschmack: Von der Amnestie profitieren auch eine Reihe von
Wirtschaftskriminellen, die aus dem Umfeld der rechtsliberalen
Bürgerpartei ODS stammen, deren langjähriger Chef Klaus war. Die ODS
ist immer wieder in schwere Korruptionsskandale verwickelt. Doch ist
die Kritik der Linksopposition heuchlerisch. Auch die
sozialdemokratische CSSD war nicht weniger korrupt, als sie an der
Macht war; ebenso die kleineren Parteien, die sich ihre
Koalitionstreue stets mit Posten, Privilegien und Freibriefen zur
Selbstbereicherung haben abgelten lassen. Die Tschechen haben das
Vertrauen in ihre Politiker längst verloren, wofür aber Klaus in
seiner letzten Neujahrsansprache „Anstifter der schlechten Stimmung“
verantwortlich macht, die er eher den Medien zuordnet. Der einzig
nachvollziehbare Grund dieser großzügigen Amnestie sind die notorisch
überfüllten Gefängnisse: In Tschechien werden Kleindelikte mit Haft
bestraft, die in den meisten EU-Ländern über den Verwaltungsweg
geahndet werden. Eine Strafrechtsreform ist längst überfällig.

Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de

Weitere Informationen unter:
http://