Badische Neueste Nachrichten: sache der politik

Mit den Pendlern meint es die Justiz seit jeher
gut. „Wenn der Erwerbende sich nicht zu seiner Arbeitsstelle begibt“,
entschied das Preußische Oberverwaltungsgericht schon vor mehr als
100 Jahren, „so verdient er nichts.“ Bereits seit 1920 können
Beschäftigte die Kosten für die Fahrt in die Fabrik oder ins Büro von
der Steuer absetzen – zuerst nur die für Busse und Bahnen, seit 1950
auch die mit dem eigenen Kraftfahrzeug. Den letzten Versuch, dies
nachhaltig zu- gunsten des Staates zu korrigieren, hat das
Bundesverfassungsgericht im Dezember 2008 jäh gestoppt, als es ein
Gesetz verwarf, nach dem die Pendlerpauschale nur noch bei Strecken
von mehr als 20 Kilometern gelten sollte. Die Höhe der Pauschale
allerdings ist nach wie vor Sache der Politik – und bei Benzinpreisen
von mehr als 1,60 Euro je Liter fast zwangsläufig Gegensatz heftiger
Diskussionen. Vor allem in den ländlichen Regionen können Millionen
von Pendlern kaum auf das Fahrrad, die Bahn oder den öffentlichen
Nahverkehr auszuweichen. Ihnen, vor allem, muss der gegenwärtige Satz
von 30 Cent je Kilometer inzwischen wie Hohn vorkommen. Im Jahr 2004,
als er festgelegt wurde, kostete ein Liter Super im Schnitt noch 1,14
Euro. Seitdem hat der Staat alleine durch die Mehrwertsteuer
zweistellige Milliardenbeträge an den gestiegenen Spritpreisen
verdient, während die Autofahrer selbst immer weniger von der
Pendlerpauschale haben. Um einen Durchschnittsverdiener ähnlich zu
entlasten wie vor acht Jahren, müsste sie heute bei fast 50 Cent
liegen. Dennoch widersetzt sich die Kanzlerin bisher erstaunlich
beharrlich einer Erhöhung. Um trotzdem so etwas wie Tatkraft zu
suggerieren, baut ihr Wirtschaftsminister nun zwar eine neue
Kontrollbehörde auf, die den Tankstellen etwas schärfer auf die
Finger sieht. Den Pendlern aber, die auf ihr Auto angewiesen sind,
ist damit nicht viel geholfen, zumal die Koalition in ihrem
Gesetzentwurf auf eine kleine, aber wirksame Preisbremse nach dem
Vorbild Österreichs verzichtet. Dort dürfen die Tarife an der
Zapfsäule zwar mehrmals täglich gesenkt, aber nur einmal am Tag
angehoben werden, nämlich um zwölf Uhr mittags. Auch solche
vermeintlich nebensächlichen Maßnahmen können eine Branche
disziplinieren. Dass ein liberaler Wirtschaftsminister im Zweifel
lieber auf den freien Wettbewerb vertraut, ist aus seiner Sicht nur
konsequent. Ohne ein gewisses Maß an Regulierung allerdings wird sich
an den Tankstellen nichts ändern. Selbst wenn die Preispolitik der
Mineralölkonzerne nun, wie von Philipp Rösler gewünscht, etwas
transparenter wird, heißt das ja noch lange nicht, dass sie ihre
Preise am Ende tatsächlich senken. Mag sein, dass die geplanten
Meldepflichten die eine oder andere Übertreibung verhindern,
tendenziell jedoch wird Benzin angesichts der schwindenden
Erdölvorräte eher noch teurer werden. Um wirklich etwas zu verändern,
müsste die neue Benzin-Polizei den Branchenführern schon nachweisen,
dass sie ihre Preise untereinander absprechen. Daran aber sind schon
Generationen von Beamten in den Kartellbehörden gescheitert. Wenn die
Koalition die Pendler tatsächlich entlasten will, wird sie die
Pauschale wohl oder übel anheben müssen. Das Argument der Kanzlerin,
dass der Steuervorteil nicht nur für Autofahrer gedacht ist, sondern
auch für Radler, Busfahrer und Bahnpendler, sticht schon lange nicht
mehr. Auch im öffentlichen Nahverkehr und bei der Deutschen Bahn sind
die Preise in den vergangenen acht Jahren kräftig gestiegen. Mit
einer höheren Pendlerpauschale würde die Regierung also nicht nur
denen helfen, die notgedrungen mit dem Auto fahren müssen, sondern
auch all jene belohnen, die sich für die ökologischere Alternative
entscheiden.

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Klaus Gaßner
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