Nein, es war nicht die zündende, brillante
Rhetorik des Hoffnungsherbstes 2008. „Hope“ und „Change“ hätten auch
schlecht gepasst zur aktuellen Stimmungslage der Amerikaner, zu
andauernd hoher Arbeitslosigkeit und Rekordschuldenbergen. Vielmehr
musste Barack Obama das Kunststück fertigbringen, die großen
Versprechen der euphorischen Zeit mit der deutlich tristeren Realität
zu versöhnen. Er versuchte es, indem er die Geduld der Amerikaner
beschwor, wie ein Bergführer auf schwieriger Gratwanderung: Es dauert
länger als gedacht, aber der Weg ist der richtige, und der Kompass
funktioniert. Die Alternative wäre die Route zurück ins Tal, zu den
gescheiterten Konzepten der Konservativen, die sich einen Teufel ums
Gemeinwohl scheren, aufstrebenden Immigranten den Weg nach oben
verbauen, nicht auf lange Sicht investieren und deren Spitzenmann
Romney Menschen sowieso nur als Nummern auf einem Bilanzbogen sieht.
So könnte man Obamas Tenor zusammenfassen. In die Geschichtsbücher
wird er nicht eingehen, dieser Auftritt ohne mitreißenden Schwung.
Eine Rede für die Geschichtsbücher hat eher Bill Clinton gehalten,
nach wie vor der beste Kommunikator in den Reihen der Demokraten.
Keiner hat überzeugender erklärt, wieso es vermessen wäre, nach dem
Absturz der Finanzkrise, angesichts der Totalopposition der
Republikaner und weltwirtschaftlicher Turbulenzen auf ein
amerikanisches Wunder im Tempo von Actionfilmen zu hoffen. Wer weiß,
vielleicht wird Clinton, einst spinnefeind mit dem Senkrechtstarter
Obama, noch der beste Wahlhelfer seines Parteierben. Nur: Reden
allein entscheiden kein Votum, schon gar nicht in Zeiten der
Ernüchterung, in denen sich der Souverän überaus skeptisch anhört,
was seine Politiker auf Kongressen verkünden. Über das Ergebnis
bestimmen Fakten, vor allem Arbeitslosenstatistiken und
Wachstumsprognosen. Hellt sich der Konjunkturmittel auf, steigt die
Glaubwürdigkeit der präsidialen Versicherungen, wonach die Richtung
ganz sicher stimmt. Verdunkelt er sich, klingen die Worte aus dem
Weißen Haus in den Ohren ungeduldiger Wähler irgendwie hohl. Dabei
hat der Bergführer Obama, um im Bild zu bleiben, im Grunde kaum
Einfluss auf die Großwetterlage, auf Eurokrise, Ölpreis oder die
chinesische Konjunktur. Er kann nur hoffen, dass seine Wandertruppe
nicht entnervt den Rückweg antritt.
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