Es ist nur ein Anfangsverdacht, wenn auch ein
schrecklicher: Im Organspendeskandal erweitert die Staatsanwaltschaft
ihre Ermittlungen um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Zwei Ärzte
hätten Messdaten gefälscht, um ihre Patienten in der Dringlichkeit
nach vorne zu schieben, mit der Folge, dass damit andere Patienten
gestorben seien. Eine schwierige Beweisführung, aber jetzt schon ein
schwerer psychologischer Rückschlag für die Organspende und die
Transplantationsmedizin. Niemand beneidet jene Ärzte, die einem
Schwerkranken eine Organspende verweigern müssen, weil ein anderer
Fall noch dringlicher ist. Dass sie sich dafür einsetzen, damit ihre
Patienten bei der Organzentrale Eurotransplant eine Chance bekommen,
ist nicht zu tadeln. Die Grenze zum Kriminellen wird jedoch dann
überschritten, wenn Mediziner Messdaten fälschen oder sich gar
bestechen lassen. Auf der Warteliste der Todgeweihten zu stehen,
täglich zu bangen und auf die erlösende Nachricht zu hoffen, ist ein
fürchterliches und verzweifeltes Schicksal. Die Versuchung, den
Gesundheitsbefund der Kranken zu manipulieren, um an das ersehnte
Spenderorgan zu gelangen, ist mächtig. Ihr zu erliegen bleibt jedoch
unentschuldbar. Vollends hochkriminell wird es, wenn sich Mediziner
mit Geld dazu bewegen lassen, ihren Patienten Leben einzukaufen. Die
grauenhafte Vision eines gewerblichen Organhandels, immer mal wieder
Thema von Horrorkrimis und einschlägigen Filmen, ist da nicht mehr
fern. Wie die 23 Fälle, die die Staatsanwaltschaften in Braunschweig
und Göttingen untersuchen, strafrechtlich am Ende ausgehen, weiß
derzeit niemand. Vor Vorverurteilungen wie vor Verharmlosung ist
gleichermaßen zu warnen. Hier sind nicht nur komplizierte – und
natürlich auch deutungsfähige – medizinisch-internistische Befunde im
Spiel, sondern auch die ärztliche Ethik. Das Angebot an Organen
möglichst gerecht zu verteilen, ist kein Vorgang, der sich
mathematisch schlüssig berechnen lässt. Die Reaktion der Klinik, die
Ärztegehälter nicht mehr an die Zahl der Transplantationen zu
knüpfen, ist ein erster Schritt. Erwägenswert auch der Ansatz, für
die Letztentscheidung eine weitere medizinische Kontrollinstanz
einzuschalten. Das Fatale an dieser Affäre: Bei den rund 12 000
Schwerkranken, die auf eine Transplantation warten, aber auch bei
potenziellen Spendern wächst die Befürchtung, es handle sich nicht
nur um Einzelfälle.
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Klaus Gaßner
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