Badische Neueste Nachrichten: Selbstbedienungsmentalität

In China tagt der Volkskongress – nur ändern
wird sich wenig: An der Parteispitze gibt es zwar neue Gesichter,
aber auch die frische Garde der Politchefs wird das Steuer nicht
herumreißen. Die wirtschaftlichen Freiheiten der Menschen im
Riesenreich werden größer, aber die politischen Freiheiten bleiben
Mangelware. Schon vor Beginn des Mammuttreffens in Peking wurden die
Kritiker mundtot gemacht – kein Protest soll das Schauspiel in der
Halle des Himmlischen Friedens stören. Die von der Partei verordnete
Grabesruhe spiegelt sich auch in den Beiträgen der Funktionäre
wieder. Revolutionäre Thesen spielen seit langem keine Rolle mehr.
Aber immerhin verabschiedete sich Parteichef Hu Jintao mit dem
eindringlichen Appell, der zunehmenden Korruption im Land den Kampf
anzusagen. Nicht nur im Wirtschaftsleben, auch in der Kommunistischen
Partei wurde Korruption in den vergangenen Jahren immer mehr zum
zentralen Thema. Einstige Hoffnungsträger der Partei stürzten tief,
nachdem sie sich erwischen ließen. Nicht nur die Parteikader sahnen
ab, auch die Familienmitglieder stopfen sich ohne Skrupel die Taschen
voll. Der Ruf der Menschen nach einer Eindämmung der Korruption ist
längst viel lauter geworden als der Wunsch nach mehr westlicher
Demokratie. Hu Jintao hat die Gefahr für die KP erkannt. Die
Machtbasis erodiert, wenn es nicht gelingt, der
Selbstbedienungsmentalität der eigenen Funktionäre Einhalt zu
gebieten.

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Klaus Gaßner
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