Badische Neueste Nachrichten: SPD ist gefordert

Sein Wahlziel war klar: Peer Steinbrück wollte
die SPD wieder zurück an die Macht führen. Von Opposition war nicht
die Rede. Nun allerdings, da die SPD tatsächlich an die Regierung
kommen kann, kneift sie und will davon nichts mehr wissen. Die
Parteispitze duckt sich weg und scheint dem Ruf nach einer
Mitgliederbefragung nachzugeben, die Genossen weisen mit dem Finger
auf die Grünen, als ob das Regieren eine ansteckende Krankheit sei,
oder bringen, noch verwegener, eine Minderheitsregierung der Union
ins Spiel, die über keine Mehrheit im Parlament verfügt. Das
Wegschieben der Verantwortung ist zur Massenbewegung in der SPD
geworden. Dabei müssten es Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und
Frank-Walter Steinmeier besser wissen. Wer das Land in seinem Sinne
gestalten und seine Programmatik in praktische Politik umsetzen will,
muss regieren, notfalls auch als Juniorpartner in einer Großen
Koalition mit der Bereitschaft zum Kompromiss. Franz Münteferings
apodiktische Feststellung „Opposition ist Mist“ hat noch immer nichts
von ihrer Richtigkeit verloren. Denn das Gegenteil von Macht ist
Ohnmacht. Deutschland braucht die Große Koalition. Nachdem die
schwarz-gelbe Koalition in den letzten vier Jahren mehr schlecht denn
recht regiert, wichtige Vorhaben nicht angepackt oder verschoben hat,
stehen in dieser Legislaturperiode fundamentale Weichenstellungen an,
die Union und SPD nur gemeinsam mit ihrer parallelen Mehrheit in
Bundestag und Bundesrat vornehmen können. Oberste Priorität hat dabei
die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund, den Ländern
und den Kommunen. 2019 laufen der Länderfinanzausgleich und der
Solidarpakt II aus, ab 2020 gilt das im Grundgesetz verankerte
Neuverschuldungsverbot, das etliche Länder vor kaum lösbare Probleme
stellt, gleichzeitig enden im Bildungs- und Forschungsbereich der
Hochschulpakt und die Exzellenzinitiative. Das unsinnige
Kooperationsverbot muss aufgehoben und die Hochschulfinanzierung auf
neue Beine gestellt werden, die Finanzausstattung der Kommunen ist
neu zu regeln. Das können Union und SPD in Bund und Ländern nur
gemeinsam angehen, die Zeit drängt. Nicht länger ausgesessen werden
dürfen auch die sich auftürmenden Probleme bei der Energiewende mit
der überfälligen Reform des EEG sowie die Herausforderungen, die sich
durch die demografische Entwicklung ergeben. Und auf europäischer
Ebene ist die Krise der Gemeinschaftswährung noch lange nicht
ausgestanden. Koalitionen sind keine Liebesheiraten, sondern
Bündnisse auf Zeit, abgeschlossen mit einem klaren Arbeitsauftrag.
Noch einmal vier Jahre Stillstand aber kann sich Deutschland nicht
leisten, der Reformvorsprung, den das Land dank der Agenda 2010 der
Regierung Schröder hatte, wäre endgültig aufgezehrt. Als
Regierungspartei könnte die SPD Reformmotor sein.

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