Badische Neueste Nachrichten: Stuttgarter Wahl-Frieden

Die große Überraschung ist ausgeblieben: Die
Stuttgarter haben gestern keinen der OB-Kandidaten im ersten Anlauf
mit absoluter Mehrheit auf den Schild gehoben. Allerdings gibt es für
den zweiten Durchgang in vierzehn Tagen mit dem
Bundestagsabgeordneten Fritz Kuhn einen klaren Favoriten. Dem
Grünen-Politiker ist der Sieg kaum noch zu nehmen, wenn das
Mitte-Links-Lager an einem Strang zieht – wenn also die von der SPD
unterstützte Bettina Wilhelm und der Stuttgart-21-Sprecher Hannes
Rockenbauch als Dritt- und Viertplatzierte ihre Bewerbungen zu seinen
Gunsten zurückziehen. Dass es zu einem derartigen Stuttgarter
Wahl-Frieden kommt, um der CDU erstmals in der Nachkriegsgeschichte
den Chefsessel im Rathaus abzujagen, ist äußerst wahrscheinlich.
Rockenbauch hatte einen Rückzug im Vorfeld bereits angedeutet und die
SPD kann sich als Regierungspartner gar nichts anderes leisten, als
Wilhelm aus dem Rennen zu nehmen. Gemeinsame Sache bei einer
Oberbürgermeisterwahl hat in der Landeshauptstadt keine Tradition.
Zur Erinnerung: Vor 16 Jahren vermasselte die SPD dem
Grünen-Kandidaten Rezzo Schlauch den Sieg, weil ihr ziemlich blasser
Kandidat Rainer Brechtken auch in Durchgang zwei im Rennen blieb und
mit dem damaligen Pforzheimer Rathauschef Joachim Becker ungefragt
sogar noch ein zweiter Genosse auf den Plan trat. Das Ergebnis ist
bekannt: CDU-Kandidat Wolfgang Schuster blieb angesichts des
rot-grünen Zerwürfnisses der lachende Dritte. Acht Jahre später
profitierte der alles andere als charismatische Stuttgarter
Oberbürgermeister erneut vom Zwist zwischen den heutigen
Regierungspartnern: der drittplatzierte Grünen-Kandidat Boris Palmer
zog 2004 seine Kandidatur nach Runde eins zwar zurück, sprach jedoch
zum Entsetzen der Genossen eine indirekte Wahlempfehlung für Schuster
aus, was der SPD-Frau Ute Kumpf den Sieg kostete. Die Zeiten von Foul
und Revanchefoul scheinen seit der Machtübernahme in der
Landespolitik vorbei. Ob es dem von der CDU unterstützten Werbeprofi
Sebastian Turner in den nächsten zwei Wochen noch gelingt, das Ruder
herumzureißen, bezweifeln selbst wohlmeinende Christdemokraten. In
Stuttgart könnte also am 21. Oktober eintreten, was Wahlforscher
schon länger für die Großstädte des Landes feststellen: Wenn sich das
Mitte-Links-Lager einig ist, sind die Chancen der
bürgerlich-konservativen Kandidaten deutlich geringer. Ob diese
Theorie zutrifft, wird sich erst in der Landeshauptstadt und dann im
Dezember in Karlsruhe bei der OB-Wahl zeigen. In der Fächerstadt
wurde der Wahl-Frieden schon vor dem ersten Durchgang mit dem
Verzicht der Grünen auf einen eigenen Kandidaten festgezurrt. Eine
Absprache auf oberster Regierungsebene zur Aufteilung der Rathäuser?
Die Beteiligten beteuern zwar das Gegenteil, doch so ganz abwegig ist
der Verdacht des grün-roten Stuttgart-Karlsruhe-Deals nun wirklich
nicht.

Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de

Weitere Informationen unter:
http://