Badische Neueste Nachrichten:Überfällig

Unter den vielen Problemen, die die Koalition zu
lösen hat, ist die Reform der Pflege eines der schwierigsten. Ein
System, von dem in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Menschen immer
mehr an Leistungen erwarten, kann nicht von immer weniger
Beschäftigten mit vergleichsweise bescheidenen Beiträgen finanziert
werden. Gerhard Schröders Sozialminister Walter Riester hat aus einem
ähnlichen Phänomen bei der Rente die einzig richtige Konsequenz
gezogen und die gesetzliche Versicherung um eine private Vorsorge
erweitert. Die hat zwar den einen oder anderen Konstruktionsfehler,
hat das Rentensystem aber deutlich robuster gemacht – bis die SPD
ihren eigenen Reformmut durch die abschlagsfreie Rente nach 45
Versicherungsjahren wieder konterkarierte. Bei der Pflege haben Union
und FDP es mit dem so genannten Pflege-Bahr versucht. Der Zuschuss
von fünf Euro im Monat allerdings ist zu klein, um Großes zu bewirken
– die meisten Policen schließen nur einen kleinen Teil der drohenden
Versorgungslücke. Zu einer echten Pflegereform gehört deshalb neben
einem neuen Leistungskatalog mit höheren Pflegesätzen und besseren
Leistungen für Demenzkranke auch ein attraktiveres Prämiensystem für
die private Vorsorge – zum Beispiel mit höheren Zuschüssen für
kinderreiche Familien nach dem Vorbild der Riester-Rente. Die letzte
Große Koalition und das anschließende Bündnis von Union und FDP haben
bei der Pflege bisher vor allem auf Zeit gespielt und sich noch nicht
einmal auf einen neuen Pflegebegriff und das Ende der bürokratischen
Minutenpflege einigen können. Da die Pflegekassen noch auf Reserven
von mehr als fünf Milliarden Euro sitzen, war der Leidensdruck bisher
offenbar nicht groß genug. Das kann sich in ein, zwei
Legislaturperioden allerdings schon dramatisch ändern. Umso mehr
sollte eine Koalition wie die jetzt amtierende, die ihren
Koalitionsvertrag mit „Deutschlands Zukunft gestalten“ überschrieben
hat, nun mit gutem Beispiel voran gehen.

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Klaus Gaßner
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