Badische Neueste Nachrichten:Überfällige Debatte

Der Verdruss über die nicht enden wollenden
Euro-Krisengespräche ist groß. Aber müsste nicht auch etwas
Erleichterung mitschwingen? Über viele Jahre war das Geblubbere der
Profi-Europäer im besten Fall ermüdend. Jetzt geht es endlich auch
ums Eingemachte. Wie viel Europa wollen wir? Wie soll es aussehen?
Was geben wir dafür aus? Oder ist uns das Ganze doch vielleicht nicht
geheuer? Das sind jetzt keine Fragen des politischen Feuilletons
mehr, das sind jetzt existenzielle Fragen. Dass sie erst angesichts
einer bitterernsten Finanzkrise gestellt werden, gibt ein beredtes
Zeugnis darüber, wie bräsig es bislang in Europa zuging. Europa
drohte in der Vereinheitlichung der Gurkengläser aufzugehen, als ein
Europa, das von Juristen geformt wird, die Normen und Richtlinien
aufopferungsvoll vereinheitlichen. Nun ist es Zeit, dass die Politik
wieder entschlossen das Heft des Handelns in die Hand nimmt.
Eurobonds oder Eurobills, Schuldenfonds und Rettungsschirm – die
höchst komplizierten Detailregelungen kommen an einer Kardinalfrage
nicht vorbei: Sind die Nationalstaaten bereit, ein Stück ihrer
Kompetenzen aufzugeben, um ein Mehr an Gemeinschaft zu haben?
Jahrelang wurde das von allen beschworen. Mehr noch: Die Einführung
des Euro war bereits mit der klaren Marschroute versehen, dass es bei
der gemeinsamen Währung nicht bleiben dürfe, dass vielmehr eine
weitergehende Wirtschafts- und Finanzunion unabdingbar sei. Doch erst
jetzt, im Angesicht der ernsten Krise, wird aus diesen
parteiübergreifenden Absichtserklärungen ein Stück Realpolitik. Dabei
darf es nicht darum gehen, Lasten auf vielen Schultern zu verteilen.
Es muss um ein tragfähiges politisches Gerüst gehen, um die
Vergewisserung, dass die europäischen Staaten mit einem Blick fürs
Ganze operieren und sich auch leidigen Fragen wie der
Haushaltsdisziplin nicht verschließen. Und das Ganze muss so
gestaltet sein, dass der Bürger die Entscheidungswege überschauen
kann. Ohne Transparenz droht dieses Europa das Urvertrauen, dem das
Schuldengeschachere schon mächtig zugesetzt hat, ganz zu verlieren.

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Klaus Gaßner
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