Es ist der Frust, der aus Peer Steinbrück
spricht. Die Klage des Herausforderers, die Kanzlerin laviere zu sehr
herum und wage sich nicht aus der Deckung, kommt nicht ungefähr. Wie
vor vier Jahren ist Angela Merkel auch in diesem Wahlkampf nur schwer
zu fassen. Sie verlässt sich auf ihre hohen Popularitätswerte, bietet
ansonsten wenig Reibungsfläche und lässt die Konkurrenz einfach mal
machen. Dass Steinbrück sie nach ihrer Regierungserklärung hart
attackiert und ihr sogar vorgeworfen hat, sie treibe Länder wie
Griechenland mit ihrer Sparpolitik ins Elend, kann sie verschmerzen.
Solche Debatten sind genauso schnell vergessen wie sie geführt
werden. Knappe sieben Monate bleiben Steinbrück noch, um aus einem
vermeintlich aussichtslosen Rennen ein halbwegs offenes machen. Dazu
allerdings muss der Kandidat sich intensiver mit den Themen
beschäftigen, die er bisher nicht auf der Agenda hatte – von der
Familienpolitik über die Gesundheits- bis zur Außenpolitik. Wie denkt
er, zum Beispiel, über künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr? Noch
immer lebt der frühere Finanzminister vor allem von seinem Image als
etwas ruppiger, im Kern aber verlässlicher Manager der Finanzkrise.
Als Kanzlerkandidat allerdings braucht Steinbrück ein deutlich
breiteres Themenportfolio. Viel mehr als die Forderung nach
bezahlbarem Wonhraum und engeren Grenzen für Mieterhöhungen ist ihm
dazu bisher allerdings nicht eingefallen. Auch sein Plädoyer für eine
neue Großzügigkeit bei den EU-Finanzen ist für einen Wahlkämpfer mit
seinen Ambitionen vermutlich eher kontraproduktiv. Was Steinbrück als
Spardiktat geißelt, verkauft Angela Merkel den Deutschen als Ausweis
von Solidität. Das ist zwar auch nur ein Teil der Wahrheit, weil der
EU-Haushalt längst nicht so innovativ umgearbeitet wurde wie es
scheinen soll. Ein Kandidat, der den Eindruck erweckt, Europa brauche
immer noch mehr Geld, um der Krise Herr zu werden, tappt allerdings
schnell in eine Rechtfertigungsfalle. Immerhin ist Deutschland der
größte Nettozahler in der Union.
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