Ist Wladimir Putin doch ein lupenreiner
Demokrat, wie der frühere Kanzler Gerhard Schröder ihn einst
bezeichnete? Wenigstens ein verkappter? Zweifel daran sind erlaubt,
auch wenn der russische Präsident verkündete, dass der
kremlkritische Oligarch Michail Chodorkowski begnadigt werden soll.
Wie verfrüht der Jubel der Liberalen in Russland ist, die
Chodorkowski gerne in einem hohen politischen Amt sehen würden, zeigt
eine Äußerung von Putins Pressesprecher. Dieser ließ wissen, ein
Gnadengesuch sei gleichbedeutend mit jenem Schuldeingeständnis, das
Chodorkowski bisher verweigert hatte. Der Oligarch ist also
keinesfalls rehabilitiert. Für Vorbestrafte gelten zudem
Sperrfristen bei der Bewerbung um öffentliche Ämter. Vor allem aber:
Das russische Volk liebt seine Märtyrer, würde ihnen aber nie die
Macht anvertrauen. Selbst bei fairen und freien Wahlen tendierten
Chodorkowskis Chancen also gegen Null. Gegen einen Wandel Putins
spricht auch, dass Hunderte russische Unternehmer aus ähnlich
dubiosen Gründen einsitzen wie Chodorkowski. Sie fielen im Sommer
bei der Amnestie für Wirtschaftsvergehen durchs Raster. Doch eine
Amnestie, die diesen Namen auch verdient, wäre daher dringend
geboten. Ebenso in anderen Bereichen braucht es politische und
wirtschaftliche Reformen. Sollte sich Putin daran machen, würde er
nicht Schwäche, sondern Stärke zeigen – und auf dem Weg zum
Demokraten einen großen Schritt nach vorne tun.
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