Mit Sorge beobachtet Reporter ohne Grenzen (ROG)
die wachsenden Beschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet in
Belarus. Repressionen gegen kritische Online-Journalisten und
Internetnutzer haben in den vergangenen Monaten zugenommen. Zudem ist
ein äußerst restriktiver Internet-Erlass seit dem 1. Juli in Kraft.
„Kritische Berichterstatter werden immer häufiger verhört, ihr
Recherchematerial beschlagnahmt, gesetzliche Regelungen unterhöhlen
das Recht der freien Meinungsäußerung im Internet. Analog zu den
Printmedien will die Regierung auch die Kontrolle über das Internet
gewinnen“, so ROG. „Diese Einschüchterungsversuche, die mit der
nahenden, für Anfang 2011 geplanten, Präsidentschaftswahl zunehmen,
müssen ein Ende haben: Eine pluralistische öffentliche Debatte ist
essentiell für jede freie Wahl“, so ROG.
Der neue Internet-Erlass unter dem Titel „Über Maßnahmen zur
verbesserten Nutzung des nationalen Internet“ sichert dem Staat eine
weitreichende Kontrolle über Online-Inhalte und Nutzer-Zugänge zu.
Internet-Provider müssen sich fortan beim Kommunikations- und
Informationsministerium registrieren und den Behörden technische
Daten zu Netzwerken und Verbindungen liefern. Die Provider sind
ferner verpflichtet, alle Geräte wie Computer und Mobilfunkgeräte,
die einen Zugang zum Internet ermöglichen, zu identifizieren.
Kunden in Internetcafés müssen sich nach der neuen Regelung ab
sofort ausweisen. Die Daten jeder Internetverbindung werden für ein
Jahr gespeichert. Aus Sicht von ROG dienen die Maßnahmen dazu, Nutzer
zu entmutigen, sich auf unabhängigen oder oppositionellen Seiten zu
informieren.
Der Erlass sieht außerdem die Einrichtung eines „Zentrums für
Operationen und Analysen“ (OAC) vor, das direkt dem Präsidenten der
Republik untersteht. Das Zentrum soll Inhalte überwachen, bevor sie
online freigeschaltet werden. Sollte das Zentrum die Sperrung einer
Webseite verlangen, müssen Internet-Provider der Aufforderung
innerhalb von 24 Stunden Folge leisten.
Seit Beginn des Jahres dokumentierte ROG in Belarus insgesamt
sechs Hausdurchsuchungen, zwei Razzien in Redaktionsräumen
oppositioneller Medien, Verhöre von vier Journalisten und die
Sperrung mehrerer Nachrichtenseiten. Ein Journalist wurde zu einer
Gefängnisstrafe von zehn Tagen verurteilt, ein weiterer musste wegen
der Veröffentlichung eines regierungskritischen Flyers ein Bußgeld
zahlen.
Der jüngste Fall von Zensur ereignete sich am 6. Juli: Der
staatliche Provider „Beltelecom“ sperrte den Zugang zur
Online-Ausgabe der Zeitung „Vitebsky Kuryer“s“
(www.kurier.vitebsk.by).
Seit mehreren Jahren beobachtet ROG Eingriffe in die
Internetfreiheit in Belarus kritisch. Im aktuellen weltweiten
ROG-Internetbericht fällt das osteuropäische Land in die Kategorie
der Staaten „unter Beobachtung“.
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