Drei Prozent Wirtschaftswachstum. Was die 
Volkswirte der Investitionsbank Berlin (IBB) für das zu Ende gehende 
Jahr errechnet haben, ist eine gute Nachricht für die lange Jahre 
ökonomisch so gebeutelte Hauptstadt. Selbst wenn es am Ende ein paar 
Punkte hinter dem Komma weniger sein sollten, so ist der Trend 
spürbar: Nach Jahren der Agonie haben die Unternehmen in Berlin Tritt
gefasst. Der Aufwärtstrend 2010 und das von der  IBB mit 2,5 Prozent 
prognostizierte Wachstum 2011 sind bemerkenswert, weil Berlins 
Wirtschaft eben nicht wie in anderen Regionen Deutschlands 2009 
abgestürzt, sondern nur moderat geschrumpft war. In Berlin gleichen 
wir nicht die Folgen der Krise aus, sondern das Niveau hebt sich 
insgesamt. Das liegt nicht nur an den Touristenmassen, die sich 
weiterhin durch die Stadt schieben und bei Gastronomen und 
Einzelhändlern die Kassen klingeln lassen. Der Tourismus ist zwar die
Haupt-Jobmaschine der Stadt. Aber die Basis für den 
Wirtschaftsaufschwung liefern die vielen Technologieunternehmen, die 
meist erst nach dem Fall der Mauer gegründet wurden. Allmählich 
wachsen sie zu Firmen heran, die anderswo als Mittelstand gelten. 
Kaum zu zählen sind die Betriebe, die 20, 50 oder 80 Leute 
beschäftigen und damit noch unterhalb der öffentlichen 
Wahrnehmungsgrenze liegen, sich jedoch dynamisch entwickeln: weil sie
gute Produkte haben. Weil sie international aufgestellt sind. Weil es
ihnen gelingt, Fachkräfte von außerhalb nach Berlin zu locken. Die 
Unternehmen werden künftig dort investieren, wo sie ausreichend 
Talente finden – Berlin hat die große Chance, so ein Ort zu werden. 
Hinzu kommt, dass die Strukturen der Wirtschaftsförderung inzwischen 
so aufgestellt sind, dass Berlin konkurrenzfähig arbeiten und um 
Ansiedlungen werben kann. Wenn sich der Regierende Bürgermeister 
Klaus Wowereit auch noch überzeugen ließe, öfter mal im Sinne des 
Industrie- und Wirtschaftsstandortes Berlin ins Ausland zu reisen und
dabei Investoren zu umgarnen, ließe sich der positive Trend sicher 
noch verstärken. Nicht nur die Politik ist gefordert. Die Berliner 
Bürger müssen sich entscheiden, ob sie überhaupt wollen, dass Berlin 
zu einer starken Wirtschaftsmetropole wird. Wenn in der Debatte um 
steigende Mieten qualifizierte Zuwanderer als Schuldige an der 
eigenen Misere ausgemacht werden, ist das bedenklich. Dass in der 
Diskussion um die Flugrouten einige den neuen Flughafen wieder 
infrage stellen, zeugt von einer provinziellen 
Transferempfänger-Mentalität, die gefährlich ist für die 
Zukunftsfähigkeit der Stadt. Berlin muss sich zu einem starken 
Wirtschaftsstandort entwickeln, wie es seiner Größe und seinem 
internationalen Ansehen entspricht. Das sind wir schon den immer noch
13 Prozent Arbeitslosen schuldig. Nur durch eigene Steuereinnahmen 
reduzieren wir die Abhängigkeit von den Subventionen der Hessen, 
Bayern und Baden-Württemberger. Die wollen nicht ewig für die 
Hauptstadt zahlen. Das haben sie gerade mit ihrer Klagedrohung gegen 
den Länderfinanzausgleich deutlich gemacht. Wenn wir also weiter gut 
leben wollen in Berlin, sollten die drei Prozent Wachstum von 2010 
kein einmaliges Ereignis sein.
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