BERLINER MORGENPOST: Berechtigter Widerstand – Leitartikel

Der Ärger nimmt kein Ende. Erst stritten Berlin,
Brandenburg und der Bund fünf Jahre lang über den Standort für den
Großflughafen. Nach der Entscheidung 1996 für Schönefeld scheiterte
erst der Bau durch einen privaten Investor, dann feilschten Berlin,
Potsdam und das Bundesverkehrsministerium erneut; diesmal um die
Finanzierung aus eigner Kasse. Als endlich gebaut wurde, stellte sich
der Eröffnungstermin 2011 als illusionär heraus. Die Berliner und
Brandenburger haben das alles, nicht zuletzt dank anderer
einschlägiger Erfahrungen, mit Fassung getragen. Doch der neueste
Ärger löst ungeahnten Widerstand aus. Und zu Recht. Was auf die
Menschen im Südwesten Berlins nach den bisherigen Plänen zukommt,
verspricht nicht nur erhebliche Fluglärmbelästigung. Es widerspricht
vor allem einer Prämisse bei der Entscheidung, Schönefeld zum Groß-
und Single-Flughafen auszubauen. Er sollte zwar stadtnah sein, aber
die Stadt von den Risiken und Lärmbelästigungen der An- und Abflüge
in Tegel und Tempelhof befreien. Die von der Deutschen Flugsicherung
(DFS) vorgelegten Flugrouten widersprechen dem. Sie sind nicht
akzeptabel. Weil sie von bürokratenhafter Willkür zeugen. Natürlich
steht die Sicherheit über allem. Die beiden Start- und Landebahnen
sind ganz bewusst für parallele Flugbewegen konzipiert. Es ist,
bestätigen Experten, eigentlich kein Problem, auf der nördlichen Bahn
geradeaus zu starten oder zu landen und nur auf der südlichen die von
der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO vorgeschriebene
15-Prozent-Kurve nach links zu beschreiben. Eine solche Lösung würde
den Südwesten Berlins wie die Wohngebiete unmittelbar hinter der
Stadtgrenze vom Fluglärm weitgehend befreien, zumindest gegenüber den
bisherigen Absichten erheblich entlasten. Dass die DFS entgegen den
Vorgaben der ICAO für beide Bahnen einen Kursschwenk von jeweils 15
Prozent vorgibt, überzeugt nicht. Dadurch werden die Ortschaften
Blankenfelde oder Mahlow zwar ein wenig entlastet, aber weit mehr
Menschen in Berlin oder im brandenburgischen Stahnsdorf belastet. Ein
Flughafen ohne Lärm rundherum allerdings muss erst noch erfunden
werden. Die größte unvermeidbare Belästigung wird bei den
brandenburgischen Gemeinden hängen bleiben, die schon seit
Jahrzehnten mit dem Flughafen Schönefeld leben. Sie sind bereits
lärmschutzmäßig kräftig aufgerüstet worden. Viel von dem jüngsten
Ärger hätte bei besserer Information über das, was tatsächlich auf
die Menschen zukommt, vermieden werden können. Ehrliche Kommunikation
sowohl aufseiten der DFS, der Flughafengesellschaft als auch der
Verwaltungen in Berlin und Potsdam ist das Gebot der Stunde. Und
guter Wille. Denn für eine weit bessere, weit mehr Menschen
entlastende Lösung gibt es überzeugende Alternativen.

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