Kurzform: Union und SPD haben sich nun darauf
geeinigt, für den Fall einer neuen GroKo einen nationalen Bildungsrat
einzurichten und das Grundgesetz zu ändern, um mehr Geld für Bildung
vom Bund in die Länder zu schaufeln. Besser noch wäre es, die 16
Bundesländer auf gemeinsame Bildungsstandards zu verpflichten –
sprich: hier den Föderalismus zu beenden. Doch es ist immerhin ein
Anfang. Wenn die drei Regierungsparteien jetzt noch die Energie, mit
der sie über ein paar Dutzend Härtefälle beim Familiennachzug
streiten können, in Verbesserungen für die elf Millionen Schüler in
Deutschland stecken würden – dann ist es sogar ein hoffnungsvoller
Anfang.
Der vollständige Leitartikel: Klingt das nicht großartig? „Wir
wollen die Bildungschancen in Deutschland verbessern“, versprechen
Union und SPD für den Fall, dass sie wieder zusammen regieren
sollten. Und: Bildung soll das „Schlüsselthema“ für Deutschlands
Zukunft sein. Große Worte. Große Pläne. Na endlich, möchte man
seufzen. Jetzt passiert mal was. Doch leider zeigt die Erfahrung: Je
wortgewaltiger die Versprechen, desto mickriger das Ergebnis. In der
Bildungspolitik sind die deutschen Parteien Ankündigungsriesen und
Durchsetzungszwerge. Eltern, Lehrer und Schüler haben den Eindruck,
dass die Lücke zwischen „Bildung first“-Rhetorik und messbaren
Veränderungen im desolaten Schulalltag seit Jahren weiter wächst.
Zwar gibt es auch in anderen Politikfeldern eine immense Fallhöhe vom
Wahlkampfversprechen zum Verwaltungsalltag. Doch in wenigen Bereichen
sind die Folgen so dramatisch: Kinder gehen nur einmal zur Schule.
Und nur einmal werden die Weichen auf so grundsätzliche Weise
gestellt wie in den ersten Jahren im Bildungssystem. Geht das schief,
weil es zu wenige Lehrer, zu viel Unterrichtsausfall und damit zu
hohe Hürden für den Lernerfolg gibt – dann lässt sich das kaum
wiedergutmachen. Und die Bedingungen werden eher noch schwieriger.
Laut einer neuen Studie werden im Jahr 2025 an Grundschulen 35.000
regulär ausgebildete Lehrer fehlen. Das ist in sieben Jahren. Wer
also jetzt ein Kind bekommt, kann sich schon mal darauf einstellen,
dass Stundenausfall, Vertretungsunterricht und erschöpfte Lehrer bei
der Einschulung zum Alltag gehören werden. Die vielen Quereinsteiger,
die jetzt schon helfen, die Lücken zu schließen, werden dann zwar
bereits Profis durch Erfahrung sein – aber nur, wenn sie bis dahin
überhaupt durchgehalten haben. Zugestanden, wer langfristig kluge
Bildungspolitik planen will, hat es nicht leicht. 16 Bundesländer, 16
verschiedene Ansätze. Hinzu kommt: Jahrelang sanken die
Schülerzahlen, Lehramtsstudenten mussten sich anhören, dass es keine
Stellen gibt, Schulen wurden nur noch provisorisch renoviert, andere
ganz geschlossen. Doch dann passierten zwei Dinge, die den
Schulplanern einen Strich durch die Rechnung machten: Die Deutschen
bekommen wieder mehr Kinder. Und: Die Zuwanderung, nicht nur durch
Bürgerkriegsflüchtlinge, sondern auch durch EU-Migranten, hat
Deutschland verjüngt. Doch bis der Tanker der Bildungspolitik sich
auf die Trendumkehr eingestellt hat, dauert es lang. Zu lange. Zumal
wenn man bedenkt, dass auch ohne steigende Schülerzahlen dringend
mehr Lehrer gebraucht würden. Denn: Die Schulen werden immer mehr zu
gesellschaftlichen Reparaturanstalten. Sie müssen nicht nur Lesen und
Rechnen beibringen. Sie müssen vielen Kindern überhaupt erst mal Lust
aufs Lernen machen. Die jüngste Grundschulstudie zeigt: Jeder fünfte
Viertklässler kann nicht richtig lesen, in Mathematik rutschten sie
unter den internationalen Durchschnitt. Union und SPD haben sich nun
darauf geeinigt, für den Fall einer neuen GroKo einen nationalen
Bildungsrat einzurichten und das Grundgesetz zu ändern, um mehr Geld
für Bildung vom Bund in die Länder zu schaufeln. Besser noch wäre es,
die 16 Bundesländer auf gemeinsame Bildungsstandards zu verpflichten
– sprich: hier den Föderalismus zu beenden. Doch es ist immerhin ein
Anfang. Wenn die drei Regierungsparteien jetzt noch die Energie, mit
der sie über ein paar Dutzend Härtefälle beim Familiennachzug
streiten können, in Verbesserungen für die elf Millionen Schüler in
Deutschland stecken würden – dann ist es sogar ein hoffnungsvoller
Anfang.
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