Wäre dies nicht die Hauptstadt der Deutschen, man
wollte wegschauen. Aber es wird nicht besser. Nach einem dritten,
eigentlich nicht geplanten Sondierungsgespräch haben die Berliner SPD
und die Grünen ihren Konflikt über den Weiterbau der Stadtautobahn
A100 am Dienstag immer noch nicht beigelegt. Und dies, obwohl
man sich doch in den vergangenen Tagen genug öffentlich blamiert
hatte, weil beide Parteien den Autobahn-Kompromiss so unterschiedlich
auslegten. Die Grünen sagten, es werde mit ihnen auf keinen Fall
einen Ausbau geben – die SPD wiederum beharrte darauf, dass die
A100 dann gebaut werde, wenn die Bundes-Millionen nicht
umgewidmet werden dürfen. Beide Seiten zeigten sich unnachgiebig, die
SPD stellte den Grünen gar ein Ultimatum, sich zum Kompromiss zu
bekennen. Doch nach dem rot-grünen Krisengespräch, das sich am
Dienstag wieder drei Stunden lang im Roten Rathaus hinzog, ist man so
schlau wie zuvor. Die A100 liegt wie Blei in den
Parteiregalen und wird zum Streitthema jeden Gesprächs zwischen der
Berliner SPD und den Grünen. Und ebenfalls erschreckend: Zwei
Parteien, die so gerne von Transparenz und Offenheit, von Teilhabe
und demokratischer Beteiligung sprechen, geben sich nach der
Krisenrunde so wortkarg, dass einem schon angst und bange werden
kann. Was haben die beiden Parteien denn noch zu verbergen angesichts
des Durcheinanders bei der A100? Keiner wollte am Nachmittag
etwas sagen, selbst Fragen waren nicht zugelassen, alle verwiesen auf
die heute beginnenden Koalitionsverhandlungen. Als ob SPD und Grüne
die Lektion, die ihnen die Piraten bei der Abgeordnetenhauswahl vor
drei Wochen erteilt haben, immer noch nicht begreifen. Aber offenbar
geht es für Sozialdemokraten und Grüne jetzt vor allem nur noch um
eins – darum, wie man beim Thema A100 sein Gesicht wahren
kann. Vor allem für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit
(SPD) ist das ein Problem. Wowereit, der persönlich so sehr für die
A100 gekämpft und sich mit fünf Stimmen Mehrheit auf einem
Parteitag durchgesetzt hat, weiß, dass mindestens die Hälfte seiner
Berliner SPD das Projekt – genauso wie die Grünen – beerdigen möchte.
Will Wowereit jetzt die A100 mit all seiner Macht und
Autorität durchsetzen, gegebenenfalls mit der Berliner CDU als
Koalitionspartner, so würde ihm seine Partei kaum folgen. An einer
„Stummelautobahn“ dürfe Rot-Grün in Berlin nicht scheitern, sagte in
der vergangenen Woche ein führender SPD-Linker – und sprach damit
aus, was die Partei denkt. Und weil die Grünen das wissen, können sie
öffentlich die Stadtautobahn strikt ablehnen – und trotzdem
Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufnehmen. Der Verlierer dieser
Auseinandersetzung wird also Klaus Wowereit sein, aber auch Rot-Grün
selbst. Denn einer Regierung, die sich schon vor dem Start des
Wortbruchs und der Lüge bezichtigt, die mehr auf Misstrauen denn auf
Vertrauen aufgebaut ist, wird es kaum gelingen, die wichtigen
Zukunftsthemen in Berlin zu lösen. Und die liegen jenseits der A 100.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Weitere Informationen unter:
http://