BERLINER MORGENPOST: Der nicht erkennbare Dialog/ Leitartikel von Andreas Abelüber die Flüchtlinge in der besetzten Berliner Schule und ihre Unterstützer.

Die Vorgänge vor der besetzten
Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg am späten Montagabend zeigen,
wie aufgeladen die Debatte über die Bewohner dieses Hauses und das
Protestcamp der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz inzwischen ist – und
sie offenbaren, dass die Stadt in einem politischen Debakel steckt.
Die Polizisten, die dort einen Messerstecher suchten und weitere
Gewaltakte verhindern wollten, sahen sich Menschen gegenüber, mit
denen ein Dialog nicht möglich war. Die Aktivisten waren überzeugt,
dass die Schule geräumt werden soll, sie warfen den Polizisten vor,
die Flüchtlinge dort mit Hunden zu jagen, sogar zusammenzuschlagen.
Das ist kein Misstrauen gegenüber der Polizei mehr, das ist ein
klares Feindbild, dem mit sachlichen Argumenten offenbar nicht mehr
beizukommen ist.

Die Situation in diesem besetzten Haus ist desaströs. Monika
Herrmann, die grüne Bezirksbürgermeisterin von
Friedrichshain-Kreuzberg, hat bereits vor Wochen erklärt, das Konzept
eines selbst verwalteten Flüchtlingsheims sei gescheitert. Niemand
weiß mehr genau, wer eigentlich in dem Haus wohnt. Die Verhältnisse,
unter denen die Flüchtlinge dort leben, sind menschenunwürdig. Das
Bezirksamt stellt lapidar fest, wie wenig verantwortungsbewusst die
Bewohner mit dem Gebäude umgehen – duldet die Flüchtlingsunterkunft
aber weiterhin. Herrmann möchte, dass die Bewohner die Schule bald
verlassen und sagt, ihre Geduld sei am Ende. Was folgt daraus?
Nichts. Dieses Aussitzen ist kein politisches Handeln.

Herrman sagt, sie setze weiterhin auf Dialog, genauso wie am
Oranienplatz. Eine Räumung des Protestcamps will sie nicht, das
Ultimatum von Innensenator Frank Henkel (CDU) ließ sie verstreichen.
Der Dialog wird anscheinend in kleinen, geheimen Zirkeln geführt,
öffentlich erkennbar ist er jedenfalls nicht. Wer sich die Videos von
dem Polizeieinsatz am Montagabend ansieht, dem fällt es auch schwer,
an einen Dialog zu glauben.

Die Berliner SPD fordert ebenfalls Gespräche und eine friedliche
Lösung für das Camp am Oranienplatz. Eine Räumung könne nur das
allerletzte Mittel sein. Bislang ist aber auch eine Teilhabe der
Sozialdemokraten an Gesprächen nicht erkennbar. Am 7. Januar muss
sich der Senat zu Henkels Ultimatum erklären. Wer nicht will, dass
die Lage weiter eskaliert, sollte nicht bis zu dieser Senatssitzung
warten. Wenn ein Dialog noch etwas bewirken soll, muss er sehr
schnell und sehr intensiv geführt werden.

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