BERLINER MORGENPOST: Die Angst im Krankenhaus / Leitartikel von Christine Richterüber die neuen Fälle mit multiresistenten Keimen in der Berliner Charité

Die Berliner Kliniken machen keine guten
Schlagzeilen in diesen Tagen: Der landeseigene Krankenhauskonzern
Vivantes sorgte kürzlich für Aufregung, weil der Vorstandschef
Joachim Bovelet völlig überraschend sein Amt aufgab – angeblich aus
privaten Gründen, wohl aber wegen Streits mit dem Finanzsenator. Seit
dem vergangenen Wochenende steht Vivantes nun im öffentlichen
Interesse, weil der Privatsender RTL am Krankenhaus Friedrichshain
mit 30 Kameras im Kreißsaal, in Krankenzimmern und
Untersuchungsräumen die Geburten von Kindern beziehungsweise das
Leben der Familien filmen wollte. Ohne dass der Eigentümer, das Land
Berlin, davon wusste. Am Dienstag dann schreckte die Charité die
Menschen auf, weil sie erneut mehrere schwere Krankheitsfälle,
ausgelöst durch multiresistente Keime, bekannt geben musste.

Sicherlich, die Ereignisse sind nicht miteinander zu vergleichen.
Aber die öffentliche Aufmerksamkeit auch bei der geplanten
RTL-Dokumentation zeigt, was für ein sensibler Sektor unsere
Krankenhäuser sind. Es ist schlicht ein Fauxpas, wenn eine
Klinikführung private Fernsehteams für mehrere Tage bei Geburten
filmen lässt, ohne eine Erlaubnis zu haben. Ohne an den Kinderschutz
und auch an den Schutz der Arbeitnehmer zu denken. Deshalb ist es
verständlich, dass der Senat am Dienstag die ganze Sache stoppte.

Wie schön wäre es, wenn die schwierige Situation an der Charité
auch so schnell zu lösen wäre. Erneut sind dort gefährliche Keime
aufgetreten. Diesmal auf einer Intensivstation im Virchow-Klinikum,
hier sind erwachsene Patienten betroffen, die schon sehr krank waren.
Und weil bei diesen multiresistenten Keimen kaum ein Antibiotikum
anschlägt, ist die Situation für die Patienten und deren Familien
wahrlich dramatisch. Kann man dem Universitätsklinikum, wo erst vor
wenigen Monaten Säuglinge mit Serratien-Keimen befallen waren,
Vorwürfe machen? Immerhin, jetzt haben die Verantwortlichen wie
Charité-Chef Karl Max Einhäupl und der ärztliche Direktor Ulrich Frei
sehr viel früher reagiert und die Öffentlichkeit zeitnah über den
Ausbruch der Keiminfektionen unterrichtet. Bei den Säuglingen gab es
damals erst Informationen für die Berliner, als der Keimbefall durch
Medien aufgedeckt worden war. Diesmal ging es schneller, was richtig
und gut so ist.

Die Charité selbst weist jede Verantwortung für den Keimausbruch
von sich. Das Personal sei besonders ausgebildet und werde regelmäßig
geschult, sagen die Verantwortlichen. Überprüft werden kann das nur
von Experten, denn schon seit Langem verweisen Krankenhaushygieniker
darauf, dass das Entscheidende beim Kampf gegen Keime die Hygiene
sei. Die Frage, ob sich das Personal immer die Hände desinfiziert, ob
die Geräte und Spritzen und Infusionskanülen in einwandfreiem Zustand
sind, ob auf die allgemeine Hygiene in diesen Klinikbereichen
größten, ja sogar allergrößten Wert gelegt wird. Will eine Klinik das
Vertrauen der Patienten behalten, muss sie all dies erfüllen – und
nachweisen. Das gilt auch für die Berliner Charité.

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