Frustration, ja sogar Wut mag bekommen, wer sich
mit der Rettung Irlands durch die EU beschäftigt. Denn noch ist es
nicht so lange her, da galt der keltische Tiger als das Erfolgsmodell
der Euro-Zone. Mit konkurrenzlos niedrigen Unternehmensteuern hatten
es die Iren verstanden, viele Firmen auf ihre Insel zu locken. Wer
mit seinem Unternehmen dem heimischen Fiskus entgehen wollte, ging
eben nach Dublin. Und wenn sich die anderen Europäer über den aus
ihrer Sicht unfairen Steuerwettbewerb innerhalb der EU beschwerten,
winkten die Iren nur ab. Jedes andere Land, so ihre Argumentation,
könne ja den gleichen Weg gehen. Heute sieht jeder, wohin der geführt
hat: Dank dieser Politik und einer geradezu vorsätzlich laxen
Bankenaufsicht haben sich nicht zuletzt Finanzkonzerne in Irland
angesiedelt. Diese haben einen Immobilienboom in Gang gesetzt, wie
man ihn so auch aus den USA kennt. Nachdem diese Blase vor zwei
Jahren in Amerika platzte, fielen auch in Irland die Preise für
Immobilien ins Bodenlose. Die Banken, denen diese Gebäude gehören,
brauchen daher nun die Hilfe des Staats. Weil Irlands Geldhäuser aber
größer sind als die Finanzkraft des kleinen Landes, muss Europa jetzt
zahlen. Die Konsequenz, die nicht nur der Stammtisch daraus zieht,
ist klar: Gebt kein deutsches Steuergeld für Irland. Schon bei der
Rettung Griechenlands im Frühjahr war das der Tenor. Nur was wäre die
Folge? Möglicherweise würde eine Pleite Irlands dazu führen, dass
bald auch das ähnlich wackelige Portugal kein Geld mehr von den
großen Investoren bekäme. Möglicherweise würde die europäische
Krankheit dann auf Spanien überspringen. Und möglicherweise wäre dann
sogar der Euro gefährdet. Keiner weiß das ganz genau, weil die
Zusammenhänge in einer international vernetzten Welt zu komplex sind,
um Folgen mit ausreichender Sicherheit abzuschätzen. Allerdings gibt
es ein warnendes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Der frühere
US-Finanzminister Hank Paulson hätte die Investmentbank Lehman
Brothers wohl nie in die Pleite geschickt, hätte er die Folgen für
die Weltwirtschaft geahnt. Paulsons Fehlentscheidung ist ein Grund,
warum Europas Politiker heute zähneknirschend die Iren retten. Sie
fürchten die unkalkulierbaren Risiken, die ein Auseinanderbrechen der
Euro-Zone nach sich ziehen könnte. Denn im schlimmsten Fall wäre die
Lehman-Katastrophe im Vergleich dazu ein kleines Unglück.
Verständlicherweise will keiner der Regierungschefs – auch nicht
Angela Merkel – dieses Vabanquespiel wagen. Eines aber macht die
Euro-Krise klar: Die Bereitschaft der europäischen Bevölkerungen
schwindet, weitere Rettungsaktionen zu schultern. Für demokratische
Systeme ist das ein Problem. Deshalb ist es richtig, dass sich die
Kanzlerin überlegt, wie sie Banken, Versicherungen und Fonds an der
Rettung angeschlagener Staaten beteiligen kann. Einerseits erhöht das
die dringend benötigte Legitimität staatlicher Rettungsmaßnahmen in
der Bevölkerung. Und andererseits führt es für Länder, die als
Wackelkandidaten gelten, zu höheren Zinsen. Denn Banken, die ihr Geld
in diesen Investments verlieren können, werden für das entsprechende
Risiko höhere Zinsen fordern.
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