Der langwellige Terminkalender der Nato hält sich
nicht an kurzfristig eintretende Verstimmungen im atlantischen
Bündnis. Deshalb konnte es zu der seltsamen Situation kommen, dass
gerade Deutschland, das sich in der Frage des Libyen-Einsatzes im
UN-Sicherheitsrat gegen alle seine wichtigsten Verbündeten gestellt
hatte, nun Gastgeber einer Nato-Außenministertagung in Berlin
ist, bei der Libyen das bestimmende Thema wurde. Mit einigem
schauspielerischen Geschick demonstrierten alle Beteiligten in der
deutschen Hauptstadt fröhlich ihre wiedergewonnene Einheit.
Schließlich hat niemand ein Interesse daran, den Streit eskalieren zu
lassen. Ob nun mit oder ohne deutsche Soldaten: In Sachen Libyen gibt
es alle Hände voll zu tun. Deutschland hatte im Vorfeld schon
versucht, die Wogen ein wenig zu glätten – mit der Bereitschaft,
humanitäre Hilfskonvois für Libyen im Ernstfall auch militärisch zu
sichern. Die Botschaft, die nun auch vom Berliner Treffen ausgehen
sollte, lautet: Deutschland sucht wieder den Schulterschluss mit den
Partnern. Hinter dieser hehren Absicht blitzt aber zuweilen noch die
alte deutsche Rechthaberei auf, wenn Bundesaußenminister Guido
Westerwelle penetrant auf der Binsenweisheit besteht, dass es am Ende
eine politische Lösung geben müsse. Wer hätte je etwas anderes
behauptet? Tatsächlich schaffen die Verbündeten mit ihren
Luftangriffen erst die notwendige Voraussetzung für eine politische
Lösung. Denn nur wenn Diktator Muammar al-Gaddafi gezwungen ist
einzusehen, dass er diesen Kampf militärisch nicht gewinnen kann,
wird er zum Abdanken bereit sein. Das fordert ja auch Deutschland
seit vielen Wochen. Aber dieses notwendige Minimum für eine
„politische Lösung“ stellt sich eben nicht allein durch gute Worte
ein. Und wenn sich Deutschland mit seiner Ablehnung einer
Flugverbotszone durchgesetzt hätte, dann gäbe es heute schon keine
Opposition mehr, mit der sich eine politische Lösung verhandeln
ließe. Auf Rebellenseite hätte man sich zudem schwergetan, noch
jemanden zu finden, der in den Genuss deutscher humanitärer Hilfe
hätte kommen können. So viel Ehrlichkeit muss sein. Es ist aber auch
richtig, dass der Einsatz der Nato-geführten Alliierten in Libyen
nicht so gut verläuft wie erhofft. Die Rebellen sind im Umgang mit
Waffen zu unerfahren, um Gaddafis Truppen aufzurollen. Die meisten
sind Zivilisten, die nur gezwungenermaßen zu den Waffen griffen. Das
macht diese Freiheitsbewegung irgendwie sympathisch. Gegen die
militärischen Profis Gaddafis richtet ihr Enthusiasmus aber nicht
allzu viel aus. Deshalb kommt es für die Nato nun vor allem darauf
an, den militärischen Druck aufrechtzuerhalten und sich in Geduld zu
üben. Denn die Zeit arbeitet gegen Gaddafi. Das von der EU
beschlossene Öl- und Gasembargo wird seine finanziellen Möglichkeiten
weiter beschränken, aber um zu wirken, braucht es Zeit. Aber die
Flucht von Außenminister Mussa Kussa in den Westen hat zumindest
gezeigt, dass man selbst im engsten Zirkel um Gaddafi den Ernst der
Lage erkannt hat. Auf das langsame Zerbröseln von Gaddafis Macht zu
setzen – das scheint derzeit die beste Handlungsoption der
Anti-Gaddafi-Koalition zu sein.
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