Kurzform: Längst ist aus der internationalen Hilfe
ein Milliardengeschäft geworden, eines, das Jobs vergibt und erhält.
Die Organisationen, wollen sie denn länger Spenden einsammeln, müssen
umdenken. Entwicklungshilfe darf nicht länger mit Machtausübung
einhergehen. Hilfsorganisationen müssen partnerschaftlich in den zu
„entwickelnden“ Ländern auftreten. Jegliche Überbleibsel einer
kolonialen Haltung müssen nun der Vergangenheit angehören.
Der vollständige Leitartikel: Eine Kernaufgabe der
Entwicklungshilfe ist es, die Welt besser zu machen. Solidarität mit
Ländern und deren Bevölkerung zu zeigen, die durch Kriege stark
geschwächt sind oder deren wirtschaftliche Situation so miserabel
ist, dass das Geld der Menschen nicht für die Grundbedürfnisse Essen,
Kleidung und Bildung reicht. Oder zu helfen, wenn tropische
Wirbelstürme alle paar Jahre so zuschlagen, dass der Wiederaufbau
allein von dem wirtschaftlich bereits sehr schwachen Land nicht zu
leisten ist. So wie in Haiti. Genau dort, zeigt sich, hat die
internationale Entwicklungshilfe versagt. Die britische
Wohltätigkeitsorganisation Oxfam veröffentlichte, dass einige ihrer
Mitarbeiter im Jahr 2011 auf der Karibikinsel Sexpartys mit
Prostituierten feierten. In einem Report ist die Rede von sexueller
Ausbeutung, Belästigung und Einschüchterung. Sieben Mitarbeiter,
darunter der Oxfam-Leiter für Haiti, mussten gehen. Inzwischen
gestanden auch andere wie Ärzte ohne Grenzen oder Plan International
ähnliche Verfehlungen. Allen gemein ist, dass die Organisationen
Maßnahmen ankündigen, um solche Ausschreitungen zu verhindern. Am
wichtigsten ist sicherlich, dass es künftig ein internationales
Verzeichnis geben soll, das solche Straftaten festhält. Und
Mitarbeiter, die in einem Land auffällig geworden sind, nicht in
einem anderen Land weitermachen können. Doch das reicht nicht. Die
Entwicklungshilfe muss ihre Haltung neu überdenken. Die
niederländische Autorin Linda Polman prangert seit Jahren die
zweifelhaften Praktiken von Hilfsorganisationen an. Sie berichtet im
Interview mit dem „Stern“ von Mitarbeitern, die in großen Villen
inmitten größter Armut leben, die Abhängigkeitsverhältnisse aufbauen,
zu den Menschen, denen sie eigentlich helfen sollten. Sie nutzen ihre
Macht und vergessen dabei die Moral. Diese Männer haben nicht nur
ihren Job missbraucht, anderen Leid zugefügt, sie bringen auch das
Gute in Verruf. Bei Missbrauch geht es häufig auch um Macht. Den
Schluss zu ziehen, dass Macht nun zum Missbrauch verführt, ist
falsch. Denn Tausende Helfer zeigen das Gegenteil. Sie kämpfen in den
Flüchtlingslagern der Rohingya in Bangladesch gegen Hunger und
Krankheit, heilen und pflegen im Jemen Opfer des Bürgerkriegs und
versorgen die Kriegsflüchtlinge in den Nachbarstaaten Syriens. Und
trotzdem ist es richtig, dass die Branche „Hilfsorganisationen“ jetzt
unter besonderer Beobachtung steht. Denn wie Unternehmen nehmen sie
jährlich Milliarden ein. Geld, welches ihnen als Spende mit den
besten Absichten anvertraut wird. Da ist es richtig, dass für die
Mitarbeiter solcher Organisationen besonders hohe moralische
Ansprüche gelten. Man kann eben nicht den Missbrauch damit
rechtfertigen, dass er auch in jedem anderen gesellschaftlichen
Bereich vorkommt. Das kann die wegen Missbrauchsvorfällen in Verruf
geratene katholische Kirche nicht und das kann auch der Ortsverband
der Freiwilligen Feuerwehr nicht. Wir dürfen uns nicht mit einer
gewissen Dunkelziffer, mit einem zu kalkulierbaren Fehlverhalten
abfinden. Vielleicht wäre es daher auch richtig, weil die Täter
zumeist männlich sind, mehr Frauen in den Organisationen zu
beschäftigen. Längst ist aus der internationalen Hilfe ein
Milliardengeschäft geworden, eines, das Jobs vergibt und erhält. Die
Organisationen, wollen sie denn länger Spenden einsammeln, müssen
umdenken. Entwicklungshilfe darf nicht länger mit Machtausübung
einhergehen. Hilfsorganisationen müssen partnerschaftlich in den zu
„entwickelnden“ Ländern auftreten. Jegliche Überbleibsel einer
kolonialen Haltung müssen nun der Vergangenheit angehören.
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