BERLINER MORGENPOST: Die Vernünftigen haben entschieden – Leitartikel

Es ist ein besonderer Wahltag gewesen: Gestern, am
20. Jahrestag der Deutschen Einheit waren die Potsdamer aufgerufen,
ihr Stadtoberhaupt zu wählen. In einer Stichwahl hatten sie die
Möglichkeit, ihre Stimme dem Amtsinhaber, dem nicht gerade
schillernden Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), oder dem ehemaligen
Stasi-Mann und Linken-Politiker Hans-Jürgen Scharfenberg zu geben.
Und die Potsdamer haben sich für die Zukunft und gegen die
Vergangenheit entschieden: Jakobs ist als klarer Sieger aus dieser
Wahl hervorgegangen, der neue Oberbürgermeister ist auch der alte.
Und dies ist an diesem historischen Tag eine gute Entscheidung, denn
Scharfenberg war der Stadt und dem Land Brandenburg nicht zumutbar.
Was wäre es für ein Signal gewesen, wenn die Potsdamer sich an einem
Tag, an dem in der gesamten Bundesrepublik die deutsche Einheit
gefeiert wird, für einen Mann entschieden hätten, der von 1978 bis
1985 als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gearbeitet hat, der
heute mittut bei der SED-Nach-Nachfolgepartei? Jakobs kann seinen
deutlichen Sieg feiern, zumal es Scharfenberg offensichtlich nicht
gelungen ist, seine Anhänger zu mobilisieren. Viele Potsdamer haben
aber auch deshalb für den Amtsinhaber gestimmt, weil sie keine
Alternative hatten. Weil die brandenburgische CDU in der Stadt und in
ganz Brandenburg keine Perspektive bietet und mit ihrer Kandidatin
schon im ersten Wahlgang bei desaströsen 10,5 Prozent landete. Weil
nur Jakobs die Gewähr dafür bot, dass Potsdam nicht von einem
Ex-Stasi-Mann regiert wird. Hätte es eine interessante Alternative
aus dem bürgerlichen Lager gegeben, dann hätte wohl auch Jakobs
kämpfen müssen. Die Wahlbeteiligung von 42,1 Prozent macht deutlich,
dass es nicht gelungen ist, die Potsdamer für diese Abstimmung
besonders zu interessieren, dass auch Jakobs die Menschen nicht
begeistern kann. Seit acht Jahren ist der 56-Jährige das
Stadtoberhaupt. Und da liegt einiges im Argen. Die Teilung der Stadt
in Arm und Reich ist in den vergangenen Jahren eher größer als
kleiner geworden. Für gut verdienende Menschen ist Potsdam zu Recht
ein attraktiver Wohnort. Aber eine Stadtverwaltung muss sich auch um
die Erwerbslosen, um die armen Menschen kümmern. Und es fehlen
Kitaplätze und attraktive Schulen – eine wahrlich kommunale Aufgabe.
Wenig Verdienste hat sich der Oberbürgermeister auch beim Streit um
den Uferweg am Griebnitzsee erworben. Jakobs ist es nicht gelungen,
diesen Konflikt zu entschärfen und zwischen den berechtigten
Interessen der Grundstücksbesitzer und den Spaziergängern zu
vermitteln. Im Gegenteil, inzwischen liegt er auch im Clinch mit der
Bundesregierung. Acht Jahre sind eine lange Zeit. Jakobs hat nun die
Chance bekommen, sich bis zum Jahr 2018 um die Entwicklung der
Landeshauptstadt zu kümmern. Der SPD-Mann sollte sie nutzen.

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