Das Urteil ist hart. Aber es ist geboten. Wer wie
die vier Berliner Schüler völlig grundlos aus niedersten Motiven auf
einen Menschen einprügelt, ihn fast zu Tode traktiert, hat keine
Nachsicht, keine mildernden Umstände verdient. Die Jugendlichen – sie
alle haben einen Migrationshintergrund und stammen aus Kenia, dem
Irak, dem Kosovo und Bosnien – werden die nächsten Jahre im Gefängnis
für ihre Brutalität büßen. Das Opfer kämpft weiter mit den Folgen des
mörderischen Gewaltanschlags. Ob es je wieder in ein völlig normales
Leben zurückfindet, kann man nur hoffen. Das alles geschah mitten in
Berlin, in einem der insgesamt 173 U-Bahnhöfe, von denen 63 mehr oder
weniger als Schwerpunktorte für Gewaltkriminalität gelten. Das Urteil
wirft allerdings mehrere Fragen auf. Da ist zunächst der
vergleichsweise milde Richterspruch gegen den Berliner Gymnasiasten
Torben B., der – ohne Migrationshintergrund – nicht minder brutal
Ostern im U-Bahnhof Friedrichstraße grundlos einen jungen Mann
zusammenschlug. Nachsicht mit einem 18- Jährigen, nur weil er stark
alkoholisiert war und sich Stunden später der Polizei stellte,
andererseits Härte für eine vergleichbare Tat im nüchternen Zustand?
Ist das gerecht? Das Leid des Opfers hängt nicht vom Alkoholpegel der
Täter ab. Natürlich drängt sich einmal mehr die Frage nach der
Sicherheit in Berlins öffentlichen Verkehrsmitteln auf; insbesondere
bei der S- und U-Bahn. Die weitere Zunahme der Überfälle bei
gleichzeitiger Häufung fast unvorstellbarer Brutalität ist Beleg
dafür, dass technische Überwachungssysteme – und mögen sie noch so
ausgeklügelt sein – weder helfen noch schlichten, wenn ein Streit im
Bahnhof oder im Zug eskaliert oder gleich grundlos zugeschlagen wird.
Rettung verspricht allein präsentes Sicherheitspersonal. Rund 70
Polizisten sorgten bis 2003 zusammen mit der BVG für Ruhe und
Ordnung. Dann wurden sie dem Senat zu teuer und eingespart.
Zivilcourage mutiger Bürger ist kein Ersatz, auch wenn manche
Politiker dies glauben machen wollen. Die haben leicht reden, fahren
abends in ihren Dienstwagen nach Hause und in der U-Bahn allenfalls
in Begleitung eines Sicherheits- und Medientrosses. Erst am
vergangenen Wochenende ist wieder ein Fahrgast, der Zivilcourage
gezeigt hatte, niedergeschlagen worden. Auch schärfere Gesetze,
Verordnungen oder Bußgelder zur Wahrung von Ruhe und Ordnung, wie sie
die Deutsche Bahn jetzt angekündigt hat, sind nichts als
Sprechblasen, solange es an Personal mangelt, um durchzusetzen, was
auf dem Papier steht. Das nennt man ein Vollstreckungsproblem. Dies
zusammen mit mehr Personal an der Gefahrenfront zu lösen, wird eine
der großen Bewährungsproben für den neuen Innensenator Frank Henkel.
Und schließlich die Frage nach dem Migrationshintergrund der gestern
verurteilten Jugendlichen. Ihr offenkundiger Hass auf die Deutschen
und die Schwachen in der Gesellschaft kündet ebenfalls von Rassismus,
dazu von fehlgeschlagener Integration. Solche Exzesse, leider keine
Einzelfälle, dürfen allerdings nicht davon ablenken, wie oft auch in
dieser Stadt Integration gelingt. Darüber wird leider nur zu wenig
gesprochen.
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