Nun reagieren offenbar auch die Berliner
Verkehrsbetriebe auf die Serie von Übergriffen im öffentlichen
Nahverkehr in den vergangenen Monaten. Die Doppelstreife mit einem
Sicherheitsmann des Unternehmens und einem Polizisten soll wieder
eingeführt werden. Gleichzeitig kommt offensichtlich auch die Justiz
in Schwung. Nicht einmal zwei Wochen hat es gedauert, bis die
Berliner Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 18-jährigen
TorbenP. wegen versuchten Totschlags erhoben hat. Der Schüler
hatte im alkoholisierten Zustand einen 29-Jährigen auf dem U-Bahnhof
Friedrichstraße mit einer Flasche niedergeschlagen und trat dem dann
reglosen Mann mehrmals mit voller Wucht gegen den Kopf. Beide Signale
haben hoffentlich abschreckende Wirkung. Aber das reicht nicht. Mit
der zügigen Anklage handeln die Ermittler so, wie es
Kriminalitätsexperten seit Jahren fordern: Der Tat soll eine schnelle
Strafe folgen. Jetzt liegt es an der Berliner Justiz, zeitnah einen
Gerichtstermin zu finden und ein angemessenes Urteil zu sprechen. Nur
noch einmal zur Erinnerung: Der angetrunkene TorbenP. war auf
Streit aus. Rein zufällig traf er auf dem U-Bahnhof den Installateur.
Die brutale Tat hätte jeden treffen können. Neben der schnellen
juristischen Aufarbeitung des Verbrechens muss es deshalb vor allem
darum gehen, die Berliner vor solchen Taten zu schützen. Es ist auch
nicht ausreichend, wenn Berlins Regierender Bürgermeister Klaus
Wowereit (SPD) laut darüber nachdenkt, ob mit einem
Sicherheitszuschlag von 30 Cent pro Fahrt möglicherweise mehrere
Tausend Sicherheitskräfte zusätzlich auf die Bahnhöfe und in die Züge
geschickt werden können. Ein Drei-Punkte-Plan für mehr Sicherheit
muss her. Erstens, mehr Polizei. Sicherheit zu gewährleisten im
öffentlichen Nahverkehr ist nicht nur die Aufgabe der BVG. Wer sich
nicht im Auto, sondern mit U- und S-Bahn durch die Stadt bewegt,
zumal als älterer Mensch oder mit Kindern, der weiß, wie viel mehr
Sicherheit man verspürt, wenn ein uniformierter Polizist den
Bahnsteig betritt. Die Doppelstreifen sind sinnvoll. Sie dürfen aber
nicht zu einer Alibi-Veranstaltung verkommen. Die Polizei muss trotz
ihrer eingeschränkten personellen Möglichkeiten genau hier einen
Schwerpunkt legen. Statt mit Hundertschaften Autokontrollen
durchzuführen, wäre ein massiver Einsatz im Untergrund sinnvoll.
Zweitens: Die Überwachung der Bahnhöfe und Züge per Video muss anders
organisiert werden. Es hilft zwar bei der Straftataufklärung, Bilder
von Jugendlichen zu zeigen, die auf andere Menschen eintreten. Doch
diese Taten sollen ja verhindert werden. Es muss also eine
Videozentrale eingerichtet werden, in der live die Geschehnisse auf
den Bahnhöfen beobachtet werden. Im Notfall muss von dort Hilfe
organisiert werden. An Geld für das Personal darf es nicht fehlen.
Drittens, Personal. Jahrelang haben BVG- und S-Bahn Personal auf den
Bahnhöfen abgebaut. Die Zeiten eines einzelnen einsamen
Fahrkartenverkäufers sind vielleicht vorbei. Aber wieso gibt es nicht
ein Kiosk auf jedem Bahnhof, in dem man rund um die Uhr oder
zumindest in den Hauptzeiten einkaufen und Fahrkarten lösen kann und
wo notfalls jemand Hilfe herbeirufen kann? Nach den vielen Attacken
in den letzten Wochen und Monaten muss die Zeit der Debatten und
Zickzackkurse vorbei sein. Es ist Zeit zu handeln.
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