BERLINER MORGENPOST: Ein Bonbon für die Ärzte – Leitartikel von Philipp Neumann

Spahn will erreichen, dass Wartezeiten für
Arzttermine kürzer und Sprechstunden ausgeweitet werden. Als
Belohnung dafür sollen die Ärzte mehr Geld bekommen. „Zuckerbrot und
Peitsche“ nennt der Minister das. Auch will er weiter an dem Ziel
seiner Vorgänger arbeiten, dass sich mehr Ärzte auf dem Land
niederlassen. Im Kern sind das alles gute Ziele, von denen man sich
wünschen würde, dass sie längst erreicht sind.

Dass Minister Spahn sich um solche Details kümmert, zeigt leider
überdeutlich, dass Ärzte und Krankenkassen nicht in der Lage sind,
das Offensichtlichste selbst zu regeln – und das, obwohl sie stets
die „Selbstverwaltung“ beschwören und sich staatliche Eingriffe
verbitten. Angesichts ostentativen Nichthandelns bleibt Spahn
offenbar nichts anderes übrig, als Ärzte und Kassen auf Trab zu
bringen.

Das Problem, dass Patienten viel zu lange auf Arzttermine warten
müssen, ist nicht nur gefühlt. Es ist auch nicht nur ein
Service-Problem, wie es die Ärzte darstellen. Es ist oft eine Frage
der Praxisorganisation und der finanziellen Erwartungen der Ärzte.
Und ja, es ist auch ein Problem, dass es in vielen Regionen
tatsächlich zu wenige Ärzte gibt.

Es ist gute Praxis in der Gesundheitspolitik, bei allzu großer
Ratlosigkeit das Portemonnaie zu öffnen. Spahn macht bis zu 600
Millionen Euro locker, damit Ärzte notwendige Behandlungstermine
vermitteln, neue Patienten in ihrer Praxis aufnehmen und
Sprechstunden ohne Termin anbieten. Das alles sind
Selbstverständlichkeiten, die nun mit einem finanziellen Bonbon
versüßt werden. Viel spricht dafür, dass das aus dem Fenster
geworfenes Geld ist.

Eine einheitliche Telefonnummer und eine Erreichbarkeit rund um
die Uhr sollen jetzt dafür sorgen, dass Patienten sich nicht mehr in
die Notaufnahmen setzen. Gut gemacht, kann das für gesetzlich
Versicherte ein echter Gewinn an Service und Behandlungsqualität
werden. Erfreulich dabei ist, dass der Vorschlag auch von den Ärzten
selbst gekommen ist. Jetzt müssen sie nur noch beweisen, dass sie ihn
wirklich ernst gemeint haben.

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