Die viel geschröpften deutschen Autofahrer haben
einen bemerkenswerten Sieg gegen staatliche Bevormundung errungen.
Ihrem erfolgreichen Boykott ist es zu verdanken, dass die deutsche
Mineralölindustrie die Einführung des neuen Biosprits E10 vorerst
gestoppt hat. Einen anderen Ausweg gab es nicht: An den Raffinerien
quellen die Lager mit E10 bereits über, und das herkömmliche Super
Plus ist vielerorts knapp geworden. Kein Wunder: Kaum ein Autofahrer
will die von der Politik verordnete neue „Standardsorte“ E10 in
seinem Tank haben. Politik, Mineralöl-Branche und die Vertreter der
Autohersteller hatten bis zuletzt nicht begriffen, mit was sie es da
eigentlich zu tun hatten. Als sich immer deutlicher abzeichnete, dass
der neue Biosprit an den Zapfsäulen fast unverkäuflich war, schoben
sie sich gegenseitig den Vorwurf zu, die Autofahrer nicht genügend
über die Unschädlichkeit des ethanolhaltigen Kraftstoffs „informiert“
zu haben. Mit ein bisschen Aufklärung, so der Irrglaube der
Funktionäre und Politiker, werde der Kunde das staatlich verordnete
Benzingemisch schon annehmen. Ein verhängnisvoller Fehler. Denn
anders als von Industrie und Politik unterstellt, waren die meisten
Autofahrer durchaus nicht uninformiert: Sie hatten sehr wohl
registriert, dass Umweltverbände wie Nabu oder Greenpeace den
ökologischen Nutzen des Biosprits grundsätzlich infrage stellen – und
sich dabei auf seriöse wissenschaftliche Untersuchungen beziehen.
Autofahrer, denen die Werbung jahrelang suggeriert hatte, sie sollten
„den Tiger in den Tank“ packen, wollten zudem nicht recht einsehen,
warum sie jetzt plötzlich ein Gemisch mit niedrigerem Energiegehalt
kaufen sollten, das häufigeres Nachtanken nötig macht und womöglich
sogar noch zu Motorschäden führen kann. Weil schon die Grundlagen
nicht stimmten, wollte kaum jemand den Beteuerungen der Autoindustrie
glauben, wonach angeblich mehr als 90 Prozent aller Pkw den Biosprit
problemlos vertragen. Denn trotz aller Laborversuche kann schließlich
niemand mit Bestimmtheit sagen, was Super E10 nach mehreren Jahren
Einsatz mit dem Motor macht. Die Bundesregierung trägt ein hohes Maß
an Mitschuld an dem Tankstellen-Chaos. Sie hatte es sich bequem
gemacht und der Mineralölbranche schlicht befohlen, erfolgreich zu
sein. Entweder die Branche würde es schaffen, die gesetzliche
Bio-Quote zu erreichen, oder happige Strafzahlungen würden fällig.
Die Tankstellenbranche stand damit vor dem Problem, ihre Kunden von
einem Produkt überzeugen zu müssen, von dem sie selbst nicht
überzeugt war. Unter diesen Voraussetzungen legt sich niemand
besonders stark ins Zeug. Dass dieses obrigkeitsstaatliche Verhalten
ein bisschen zu stark nach Öko-Diktatur schmeckt und entsprechend zu
Akzeptanz-Problemen führt, hätte die Bundesregierung schon aus ihrem
jüngst gescheiterten Versuch lernen können, die deutschen
Hausbesitzer zur ökologischen Totalsanierung ihrer Immobilien zwingen
zu wollen. Auch dort gab es einen öffentlichen Aufschrei, der die
Politiker rasch zum Rückzug trieb. Die Folgen dieses ungeschickten
Vorgehens könnten verheerend sein. Scheitert die E10-Einführung, wird
die Mineralölbranche die fälligen Strafzahlungen auf den Benzinpreis
umlegen. Sprit wird dann teurer, ohne dass die Umwelt auch nur im
Mindesten profitiert hätte.
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