Es war die letzte Chance der Weltgemeinschaft,
einen Rest von Verantwortung zu übernehmen. Kaum hatte der
UN-Sicherheitsrat die Flugverbotszone über Libyen beschlossen, ist
Diktator Muammar al-Gaddafi eingeknickt. Ob er es mit der verkündeten
Waffenruhe, Einstellung aller Kampfhandlungen und Schonung der seit
Wochen um Freiheit ringenden Aufständischen wirklich ernst meint,
darf bezweifelt werden. Aber zumindest ist Zeit gewonnen. Zeit für
die Vorbereitung gezielter Luftschläge, sobald diese noch nötig
werden. Zeit aber vor allem für die militärisch weit unterlegenen
Kämpfer gegen Gaddafis Feudalherrschaft. Nach der Euphorie der
Anfangserfolge werden sie seit Tagen zurückgeschlagen, weil der
Diktator seine Rüstungsübermacht skrupellos gegen sie einsetzt. Ohne
Hilfe von außen droht den Aufständischen ein grausames Ende. Die
Wortführer im Westen haben unterdessen wertvolle Zeit verloren.
Spätestens seit dem Hilferuf der Arabischen Liga vor genau einer
Woche hätten sie eindringlicher auf die sofortige Verabschiedung der
UN-Resolution dringen müssen. So wurden fünf Tage verspielt, an denen
Gaddafi Zeit gegeben wurde, die schon fast geglückte Revolte gegen
ihn doch noch weitgehend niederzukämpfen. Nun die sehr späte
Entscheidung für ein Stoppsignal. Hätte die Staatengemeinschaft die
Willkür Muammar al-Gaddafis achselzuckend hingenommen, sie hätte den
letzten Rest an Glaubwürdigkeit bezüglich Freiheit, Demokratie und
Menschenwürde verloren. Dass es in letzter Sekunde doch noch anders
kommen kann, das ist vor allem den Regierungen in Paris, London und –
nach längerer Bedenkzeit – auch der in Washington zu danken. Sie
haben im UN-Sicherheitsrat gegen die Haltung Pekings, Moskaus und in
bedenklicher Gesellschaft auch Berlins für die Mehrheit zur
Verhängung der Flugverbotszone gesorgt. Dass mit ihr allein Schläge
aus der Luft und nicht etwa Kampfeinsätze am Boden erlaubt sind,
hätte es auch der Bundesregierung möglich machen müssen, zusammen mit
den Verbündeten der Resolution zuzustimmen statt sich zu enthalten.
Dabei hat niemand von Deutschland erwartet, selbst Kampfjets
aufsteigen zu lassen. Doch aus Furcht vor weiteren Attacken der
heimischen Opposition hat sich die Bundesregierung geweigert,
weltpolitische Verantwortung zu übernehmen. Das überrascht
insbesondere bei einem Außenminister einer liberalen Partei, die
ansonsten gar nicht laut genug nach Stärkung von Freiheit, Demokratie
und Menschenwürde rufen kann. Und darum geht es in Libyen genauso wie
zuvor in Ägypten und Tunesien. Länder, die Westerwelle gar nicht
schnell genug besuchen und preisen konnte, kaum dass die Diktatoren
verscheucht waren. Gegen Gaddafi und für seine Gegner endlich ein
Zeichen zu setzen ist auch deshalb so wichtig, weil es in Libyen
zugleich um die Zukunft anderer Freiheitsbewegungen in der arabischen
Welt geht. Kann Gaddafi diese in seinem Land folgenlos
niederschlagen, könnten sich andere Alleinherrscher zur Nachahmung
ermuntert fühlen. Und wer schließlich wollte dem Westen noch glauben,
wenn er künftig Demokratie und Freiheit für alle Menschen auf dieser
Welt fordert?
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