Auf den ersten Blick ist der jüngste Vorstoß der
EU-Kommission in Sachen Datenschutz mehr als überfällig: Dass intime
Daten von Internetnutzern heutzutage interessierten Unternehmen
uneingeschränkt zur Verfügung stehen und in der Regel auf Jahre
hinweg auffindbar bleiben, ist ein Missstand der digitalen Welt, der
für den Einzelnen unangenehm, aber auch gesamtgesellschaftlich
bedenklich ist. Zu groß ist die Gefahr, dass die Angaben von
Unternehmen, Parteien oder im Extremfall gar von Kriminellen
missbraucht werden. Mit gutem Grund also fordern Verbraucherschützer
und Politiker seit Monaten unisono, Konzerne wie Facebook, Google &
Co. stärker in die Pflicht zu nehmen – statt wie bislang nur auf eine
freiwillige Selbstkontrolle zu setzen. Die Brüsseler Initiative, der
zufolge Internetunternehmen ihren Kunden künftig die Möglichkeit
einräumen sollen, ihre Daten selbst zu löschen, kann da allerdings
wenig ausrichten – und klingt mehr als hilflos. Internationale
Konzerne wie Google und Microsoft speichern ihre Daten auf Servern in
aller Welt ab. Ohnehin ist das digitale Universum so weitläufig und
unüberschaubar, dass nationale Gesetze da wenig weiterhelfen. Noch
dazu ist nicht einmal gewährleistet, dass gelöschte Inhalte ganz aus
dem Netz verschwinden: Als Kopie können die Dateien jederzeit an
anderer Stelle im Netz wieder auftauchen. Eine globale Löschfunktion
für das Internet gibt es nicht. Natürlich muss man die Unternehmen
stärker als bislang in die Pflicht nehmen und ihnen eine maximale
Transparenz beim Umgang mit persönlichen Daten abverlangen. Und
natürlich müssen sie ihre Kunden über die Risiken aufklären, die aus
der Freigabe intimer Daten resultieren. Hilfreich wäre da allein
schon, die Regelungen für einen Widerspruch gegen die Datenerhebung
möglichst einfach zu gestalten – sodass solch ein Schritt nicht mit
einem unnötig großen bürokratischen Aufwand verbunden ist. Auch eine
konkrete Halbwertzeit für online verwandte Daten, nach deren Ablauf
die Informationen automatisch gelöscht werden, wäre ein Denkmodell.
Der Beweis, dass dies von den Konzernen auch global umgesetzt würde,
stünde allerdings noch aus. Machen wir uns nichts vor: Der wichtigste
Schlüssel für einen besseren Persönlichkeitsschutz im Internet liegt
ohnehin bei den Nutzern selbst. In der realen Welt sind die meisten
von uns völlig zu Recht äußerst vorsichtig, fremden Zeitgenossen oder
gar Unternehmen unsere Kontonummern, die Adresse oder auch nur die
Handynummer anzuvertrauen. Im Internet dagegen wiegen sich noch immer
erschreckend viele Leute in einer gefährlichen Sicherheit. Gerade
jüngere Menschen sind oft allzu leichtfertig bereit, sich online
quasi auszuziehen. Statt wie viele Facebooker etwa intime Urlaubs-
und Familienfotos oder andere persönliche Informationen ins digitale
Nirwana zu schicken, sollten sie den digitalen Exhibitionismus lieber
auf ein Minimum beschränken.
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