Es sind schwere Tage für Europa. Das quälende 
Hickhack bei den Brexit-Verhandlungen, die neue atomare Bedrohung im 
Zuge der Kündigung des INF-Mittelstreckenvertrags sind bereits eine 
gewaltige Hypothek. Hinzu kommen die immer stärker werdenden verbalen
Angriffswellen aus Washington.
   Die US-Attacken gegen das insbesondere von Deutschland 
vorangetriebene Erdgas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 haben an 
Schärfe zugenommen. Auch beim Atomstreit mit dem Iran wächst der 
Druck. Gerade warf US-Vizepräsident Mike Pence dem Mullah-Regime die 
Vorbereitung eines „neuen Holocausts“ vor. Im gleichen Atemzug 
forderte er die Europäer ultimativ auf, aus dem Nuklearabkommen 
auszusteigen. Es wird nicht konkret gesagt, aber es wird angedeutet: 
Wenn die Europäer an dem Vertrag festhalten, ist der militärische 
Schutzschirm der Amerikaner keineswegs garantiert.
   Das Damoklesschwert eines US-Austritts aus der Nato schwebt seit 
längerer Zeit über dem westlichen Verteidigungsbündnis. 
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte es geahnt, als sie im Mai 2017 in
ihrer Bierzeltrede in München-Trudering mahnte: „Die Zeiten, in denen
wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück 
vorbei.“ Beim Nato-Gipfel im Juli 2018 drohte US-Präsident Donald 
Trump unverblümt mit einem Rückzug aus der Allianz. Sollten die 
Mitgliedsstaaten nicht ab sofort zwei Prozent ihrer 
Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben, würde Amerika 
„sein eigenes Ding machen“.
   Vor diesem Hintergrund hängen dunkle Wolken über der Münchner 
Sicherheitskonferenz, die am Freitagnachmittag begonnen hat. Noch nie
war die Welt so gespalten und konfliktbeladen, wenn sich rund 30 
Staats- und Regierungschefs und 90 Minister aus allen Kontinenten in 
der bayerischen Landeshauptstadt treffen. Die transatlantischen 
Beziehungen sind schwer erschüttert, die USA ziehen sich aus 
Krisenregionen wie Syrien und Afghanistan zurück. Russland setzt sich
dafür in Syrien fest - im Einvernehmen mit den autokratischen 
Regierungen in der Türkei und im Iran. Derweil arbeitet China an 
seinem wirtschaftlichen und politischen Aufstieg.
   Es ist richtig, wenn sich die Kanzlerin und der Außenminister um 
eine „Allianz der Multilateralisten“ bemühen. Und es ist lobenswert, 
vor allem in der Handels- und Klimapolitik auf Partner wie Japan oder
Kanada zu bauen. Dahinter steckt der Aufbau einer Gegenwelt zum 
US-Präsidenten, in der verbindliche Regeln statt Polit-Machismo 
vorherrschen. Allein: Das reicht nicht. Europa muss angesichts des 
Unsicherheitsfaktors von Trump-Amerika mehr für die eigene 
Verteidigung tun. Das ist keine Konkurrenzveranstaltung zur Nato, 
sondern der europäische Anker des Bündnisses. Dazu gehört auch, dass 
alle Mitglieder – auch Deutschland – das von der Allianz für 2024 
anvisierte Zwei-Prozent-Ziel einlösen.
   Die im November 2017 vereinbarte „Ständige Strukturierte 
Zusammenarbeit“ – in Anlehnung an die englische Bezeichnung „Pesco“ 
genannt – ist ein erster Schritt. Die aufeinander abgestimmte 
Beschaffung von Waffen, die Bildung gemeinsamer Einheiten müssen 
jedoch schnell umgesetzt werden. Die Zeit drängt. Die EU-Länder 
sollten dies im eigenen Interesse vorantreiben. Selbst wenn der 
nächste US-Präsident oder die nächste US-Präsidentin von der Partei 
der Demokraten kommt: Die noch unter Bill Clinton vorhandene 
Bindekraft zwischen Amerika und der „Alten Welt“ wird weiter 
abnehmen. Die Europäer müssen lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.
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