BERLINER MORGENPOST: Fünf vor zwölf – Leitartikel von Dirk Hautkapp

Die Uhr tickt unerbittlich. Spätestens Freitag wird
Donald Trump verkünden, ob die bereits einmal verlängerte Ausnahme
für europäische Hersteller von höheren Zöllen auf Stahl und Aluminium
bestehen bleibt. Oder ob mit der Verabreichung der bekannten
Giftpillen in Form von 25- beziehungsweise 10-prozentigen Aufschlägen
das protektionistische Schaulaufen des amerikanischen Präsidenten die
Ebene der Drohungen verlässt und bitterer Ernst wird.

Bitter, weil die EU für diesen Fall zügig mit Heimzahlung
reagieren will. Vergeltungszölle auf klassische US-Exportschlager wie
Orangensaft, Motorräder der Kult-Marke Harley Davidson oder Bourbon
aus Kentucky und Tennessee könnten den Einstieg in gegenseitige
Strafaktionen bedeuten, die sich am Ende zu einem handfesten
Handelskrieg auswachsen. Ob es dazu kommt, ist wie immer bei Trump
bis zur letzten Minute ungewiss.

Zu Optimismus, dass es wie bereits geschehen wieder zu einer
Last-Minute-Entspannung kommen wird, besteht diesmal wenig Anlass. In
Paris hat Trump seinen Wirtschaftsminister Wilbur Ross am Mittwoch
deutlich sagen lassen, dass sich die Europäer mal nicht so anstellen
sollen. Für den Milliardär, der als Unternehmer früher selbst mit
Handelsbarrieren bei Stahl Gewinn gemacht hat, schließen die
unmittelbar drohenden Strafzölle nicht aus, dass die USA und Europa
parallel weiter über umfangreiche Handelserleichterungen reden.

Brüssel hat dagegen die gegen geltende Bestimmungen der
Welthandelsorganisation (WTO) verstoßenden US-Attacken auf Stahl- und
Aluminium-Hersteller als nicht hinnehmbaren unfreundlichen Akt
identifiziert und zuletzt immer wieder verkündet: Mit der Pistole an
der Schläfe verhandeln wir nicht. Und: Wenn Washington uns krumm
kommt, werden wir geschlossen und entschieden antworten. Die Stunde
der Wahrheit steht nun bevor.

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