Das Schwarze-Peter-Spiel nimmt kein Ende. Auch an
den Feiertagen waren Regierung und Opposition eifrig damit
beschäftigt, sich gegenseitig die Verantwortung für die Verzögerung
der Hartz-IV-Reform – und insbesondere der Regelsatzerhöhung um fünf
Euro – zuzuschieben. Die Hartz-IV-Empfänger und ihre Kinder müssen
weiter auf einen höheren Regelsatz und das versprochene Bildungspaket
warten. Dabei haben sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
zum 1. Januar 2011 einen Anspruch darauf. Doch Bund und Länder setzen
sich über das Urteil des höchsten Gerichts hinweg – und machen mit
ihrem Hartz-IV-Poker weiter. Sicherlich kann man sich fragen, ob es
sinnvoll ist, jedem Kind eines Hartz-IV-Empfängers ein paar
Bildungsgutscheine in die Hand zu drücken und dafür 1300 neue Beamte
in den Jobcentern einzustellen. Die Hilfe für die bedürftigen Kinder
ließe sich besser über die Jugendämter der Kommunen als über die
Jobcenter organisieren, deren erste Aufgabe es doch sein sollte, die
Eltern der Hartz-IV-Kinder in Lohn und Brot zu bringen. Nun sollen
sie sich auch noch um Nachhilfe und Schulessen kümmern. Doch diese
Fragen beschäftigen die SPD im Vermittlungsausschuss gar nicht. Dort
dringen die Sozialdemokraten auf noch mehr Leistungen für noch mehr
Kinder, auf einen gesetzlichen Mindestlohn und eine Neuberechnung des
Regelsatzes – ohne dabei in allen drei Punkten besonders konkret zu
werden. Die SPD spielt ein gefährliches Spiel. Sie wollte endlich
wieder ein bisschen mitregieren und hat das Gesetz der Koalition
gestoppt. Nun muss sie mit dem Verhandlungsergebnis beweisen, dass
sich die Blockade gelohnt hat. Das dürfte schwierig werden. Denn
einer weiteren Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes hat
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits eine Absage
erteilt. Die schwarz-gelbe Koalition kann hier schlecht
Zugeständnisse machen – würde sie doch damit den Vorwurf der
Opposition bestätigen, den Regelsatz im ersten Anlauf bewusst
kleingerechnet zu haben. Kompromisslinien gibt es dagegen beim
Bildungspaket und beim Mindestlohn. Die Bildungsleistungen könnten
aufgestockt, der Kreis der berechtigten Kinder erweitert werden. So
könnten auch die 140000 Kinder von Wohngeldempfängern von dem
Paket profitieren. Und beim Mindestlohn könnte die Union der SPD eine
Lohnuntergrenze für die Zeitarbeit anbieten, gegen die sich der
Koalitionspartner FDP bislang erfolgreich gewehrt hat. Die Ministerin
selbst ist dafür. Da Zeitarbeiter branchenübergreifend eingesetzt
werden, käme dies den Forderungen der SPD nach einem flächendeckenden
Mindestlohn weit entgegen. Doch bislang wiederholen beide Seiten nur
ihre altbekannten Positionen. Von Kompromisssignalen ist nichts zu
sehen. Bis zur entscheidenden Verhandlungsrunde im Januar muss
endlich Bewegung in die festgefahrene Hartz-IV-Debatte kommen. Statt
weiter Schwarzer Peter zu spielen, sollten sich die Parteien schnell
zusammenraufen. Das sind sie den sieben Millionen Menschen in diesem
Land, die ihr Existenzminimum von Hartz IV bestreiten müssen,
schuldig.
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