Respekt. Richter Rupert Heindl, 47, verzehrte in
der Gerichtskantine entspannt sein Schaschlik, bevor er ein Urteil
verkündete, das dem Rechtsempfinden der Menschen halbwegs entsprach.
Heindl ist ein Bayer, den man mögen muss: skeptisch, aber freundlich,
kein Show-Typ, sondern klarer Glatzkopf, der im Duett mit einer
Rosenheimer Steuerfahnderin das Verfahren durchgezogen und
schließlich im Namen des Volkes geurteilt hat: Dreieinhalb Jahre für
27 Millionen Euro – so viel hätte wohl jeder andere auch bekommen, ob
Bushido, Günther Jauch oder Erna Klein. Nur Helmut Schmidt vielleicht
nicht.
Ausgerechnet im Freistaat, wo nahezu jede Strippe beim FC Bayern
endet, ist nicht in straußscher Amigo-Tradition gerichtet worden,
sondern wohltuend schnell, gerade, klar. Vier Tage, kein Gedöns,
fertig. Der Nächste bitte.
Ganz ohne Häme und Bösartigkeit und Gejuxe: Recht so. Mögen Fans
und Freunde des erfolgreichen Klubs greinen, Dortmunder hämen,
Juristen analysieren und die Feinripp-Piefnickel ihre Kopf-ab-Sprüche
ausstoßen – das Münchner Landgericht hat Unabhängigkeit bewiesen, ein
Promi-Malus ist so wenig zu erkennen wie ein Uli-Bonus. Das Argument,
Hoeneß habe viel Gutes getan, darf beim Strafmaß zwar eine Rolle
spielen, reicht aber nicht für einen Freispruch. Drei Ecken, ein
Elfer, das gibt es nur auf dem Bolzplatz. Dass Uli Hoeneß jetzt in
die Revision geht, ist sein gutes Recht, die zu klärenden Feinheiten
einer strafbefreienden Selbstanzeige dürften einige interessieren.
Der Fall Hoeneß lehrt zweierlei. Mag man Steuern auch als
staatlichen Diebstahl betrachten, alle haben zu zahlen. Wer je den
heißen Atem des Finanzamts im Nacken spürte, der weiß: kein
Flötenkreis. Gut so. Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit sind
eins. Nur wenn Normalverdiener das Gefühl haben, dass die da oben
ihre Zahlungsbescheide genau so fix zu begleichen haben, dann tut der
eigene Beitrag nicht mehr ganz so weh. Vor dem Finanzamt sind alle
gleich, und großer Betrug wird groß bestraft. Diese Gewissheit ist
Basis für ein funktionierendes Miteinander, und Richter Heindl hat
eindrucksvoll daran erinnert. Lieber Zähneknirschen von der
Dachterrasse bis ins Souterrain als das verlotterte Steuersystem
manch anderer EU-Länder.
Zur Fairness gehört aber auch, Uli Hoeneß nicht auf ewig zu teeren
und zu federn. Zumal noch Strafe aussteht. Dass der Mann weiterhin
Präsident beim FC Bayern bleibt, glauben nicht mal mehr Menschen, die
in rot-weißer Bettwäsche schlafen. Hoeneß hat Mist gebaut – offenbar
gibt es auch seelische Probleme, die eine Behandlung nahe legen -,
aber er ist und bleibt ein ungewöhnlich erfolgreicher Manager. Ohne
Grenzgängertum und Narzissmus, so wissen Psychologen, ist Großes kaum
zu leisten, ob in der Kunst, Musik, der Politik oder Wirtschaft. Die
Öffentlichkeit aber hatte nie viel Verständnis für ein solches Leben
auf der Rasierklinge.
Sex bei Kachelmann, Krullsches bei zu Guttenberg, falsche Freunde
bei Wulff, Drogen bei Amy Winehouse und vielen anderen, Zocken bei
Hoeneß – der Preis für Aufstieg und Erfolg ist oftmals schrecklich
hoch. Jetzt noch auf Hoeneß rumtrampeln? Das schickt sich nicht.
Der Leitartikel im Internet: http://www.morgenpost.de/125781702/
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Weitere Informationen unter:
http://