Es gehört zu den jährlichen Ritualen wie der
Berlin-Marathon oder das DFB-Pokalfinale im Olympiastadion: die
Vorstellung des Jahresberichtes des Rechnungshofes. In akribischer
Kleinarbeit tragen die Mitarbeiter die Missstände in den öffentlichen
Verwaltungen zusammen. Dabei kommen Jahr für Jahr Verschwendungen von
Steuergeld in mehrstelliger Millionenhöhe zusammen.
Doch die Reaktion der Betroffenen ist ebenfalls von Jahr zu Jahr
gleich. Sie zucken mit den Schultern und machen weiter wie bisher.
Die Freie Universität verteilt 40 Millionen Euro auf geheimen Konten,
die sie für notwendige Investitionen nutzen sollte? Na und. Die
Rentenkasse verzichtet auf die Rückforderung von zu viel gezahlten
Beträgen, wenn sie unter 200 Euro liegen? Was soll–s. Die
Senatskanzlei bestellt Software, die sie nur in Ansätzen benötigt?
Egal. Es handelt sich ja nicht um das eigene Geld, das da verpulvert
wird, sondern um das Steuergeld der Berliner.
Der Fortgang der Dinge steht ebenfalls bereits fest. Das
Abgeordnetenhaus wird auch diesen Bericht des Rechnungshofes zur
Kenntnis nehmen, die einzelnen Verwaltungen werden die Vorwürfe ein
bisschen bestreiten – aber eine entscheidende Veränderung wird nicht
eintreten. Im kommenden Jahr geht das ganze Theater dann von Neuem
los.
Das Grundproblem dafür liegt in der Berliner Verfassung. Der
Rechnungshof ist zwar kein Teil der Verwaltung oder der Regierung,
also vollkommen unabhängig – aber er ist auch keine
Strafverfolgungsbehörde. Das heißt, der Rechnungshof kann nicht mehr
unternehmen, als Appelle zu versenden. Lassen die Kritisierten die
Rechnungsprüfer abblitzen, dann bleibt das Fehlverhalten folgenlos.
Wenn es Berlin mit der Einrichtung eines unabhängigen
Kontrollgremiums ernst meint, dann müsste der Rechnungshof auch mit
entsprechendem Druckpotenzial ausgestattet werden, sodass sich die
Betroffenen nicht davonstehlen können. Es steckt häufig ja gar kein
böser Wille hinter den Verschwendungen, oft stammen sie aus lange
geübter Praxis, die sich irgendwann verselbstständigt hat und sich in
der Trägheit, die Verwaltungen eigen ist, nicht wirksam ändern lässt.
Gerade die große Koalition, die mit ihrer satten Mehrheit das
Berliner Abgeordnetenhaus beherrscht, ist aufgefordert, die
demokratische Kontrolle des eigenen Handelns zu unterstützen. Dazu
braucht es nicht viel, nur ein wenig Willen der politisch
Verantwortlichen.
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