BERLINER MORGENPOST: Kommentar zur Bundeswehrreform

Das nennt man denn wohl generalstabsmäßig geplant.
Anders als sein Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg, der den
richtigen Anstoß zur bislang tiefgreifendsten Reform der Bundeswehr
gegeben, aber vorab die notwendige Lagebeurteilung vernachlässigt
hat, ist Thomas de Maizière aus politischer wie militärischer Sicht
planungsgerecht vorgegangen: Neudefinierung des Auftrags der
Bundeswehr, Klärung des Verteidigungsetats, neue Sollstärke nach
Abschaffung der Wehrpflicht, Struktur der „neuen“ Bundeswehr samt
ihrer wichtigsten Waffensysteme und nun gestern als Schlussbaustein
die Entscheidung über die Standorte. Letztere ist ziemlich konsequent
aus der neuen Lage abgeleitet und umgesetzt worden. Ein
Verteidigungsminister ist nicht verantwortlich für Strukturpolitik in
diesem Land. Er hat für auftragsgerechte und kosteneffiziente
Standorte für seine Truppe zu sorgen. Diesem Verdikt sind zwanzig
Jahre nach Ende des Kalten Kriegs 31 Standorte zum Opfer gefallen. So
bedauerlich das im Einzelfall für Gemeinden in wirtschaftlich
schwachen Regionen sein mag – es wurde höchste Zeit, die Bundeswehr
auch von ihrer Dislozierung her der neuen Lage anzupassen. De
Maizière, dessen Vater in den 60er-Jahren Generalinspekteur der
Bundeswehr war, hatte dazu den Mut, den seine Vorgänger noch nicht
hatten. Dabei ist er mit gutem Beispiel vorangegangen, indem er im
eigenen Ministerium 1000 Stellen streicht. Und weil zudem die
Entscheidung so gründlich vorbereitet worden ist, fielen Protest und
Enttäuschungsbotschaften der Ministerpräsidenten in den
vergleichsweise hart betroffenen Ländern eher pflichtschuldig aus.
Die Regierungschefs in Berlin und Brandenburg haben ohnehin keinen
Grund zum Klagen. Im Gegenteil. Mit der Verlegung des Führungsstabs
der Heeres nach Strausberg, dem der Luftwaffe nach Gatow und der
Versetzung weiterer Mitarbeiter von der Bonner Hardthöhe in die
inoffizielle ministerielle Zentrale an der Spree wird die Bedeutung
der Region als Führungszentrum der gesamten Bundeswehr weiter
ausgebaut. Das bei Potsdam beheimatete Einsatzführungskommando der
Bundeswehr, das alle Auslandseinsätze koordiniert, gehört dazu. Auch
verteidigungspolitisch zeitigt Berlin hauptstädtische
Anziehungskraft. Keine so tiefgreifende Reform ist in der Geschichte
der Bundesrepublik so ruhig über die politische wie die öffentliche
Bühne gegangen wie die der Neuaufstellung unserer Streitkräfte. Das
spricht für die Einsicht in die Dringlichkeit der Reform wie für
deren wohldurchdachte planerische Vorbereitung. Das ist die positive
Sicht. Es gibt aber auch eine, die nachdenklich stimmen kann. Die
Deutschen zeigen an Sicherheitspolitik, die Teil der Außenpolitik
ist, ein hohes Maß an Desinteresse. Sie reagieren meist nur dann,
wenn gefallene Soldaten zu beklagen sind. Die Kenntnis von ein paar
verteidigungspolitischen Zusammenhängen ist aber Voraussetzung, um zu
verstehen, warum und wozu die Bundeswehr so radikal umgebaut wird.
Das sollte eigentlich mehr Interesse wecken. Weil unsere Soldatinnen
und Soldaten auch in der neuen Freiwilligenarmee Dienstleister unser
aller Sicherheit bleiben.

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