Die Berliner sind unzufrieden. Auch nach gut einem
Jahr Krise bei der S-Bahn kann das Tochterunternehmen der Deutschen
Bahn AG noch immer kein vollständiges Zugangebot gewährleisten. Hinzu
kommen stetig neue Klagen über verdreckte Wagen, fehlende
Informationen und kaputte Klimaanlagen, gerade wenn es mal richtig
heiß ist. Das soll anders werden, haben sich jetzt die
Verkehrsexperten von SPD und Linkspartei gesagt. Ihr Plan: Die
Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sollen auch den S-Bahn-Verkehr
übernehmen. 2017 erst einmal die Ringbahn-Linien, später den Betrieb
des ganzen Netzes. Diese von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (für SPD)
und Harald Wolf (Linke) vertretene Position reiht sich ein in die
Bemühungen der rot-roten Regierungsparteien, möglichst alle wichtigen
Infrastrukturbereiche wieder in staatliche Hand zu bekommen. Die
Zweifel an diesem Weg, von Fahrgastvertretern, der Industrie- und
Handelskammer oder der politischen Opposition prompt vorgetragen,
sind mehr als berechtigt. Nicht nur, weil die BVG unter einem
riesigen, 750 Millionen Euro schweren Schuldenberg ächzt. Diese Last
würde mit der Übernahme der S-Bahn, die allein im ersten Halbjahr
dieses Jahres einen Verlust von 40 Millionen Euro einfuhr, kaum
kleiner werden. Viel schlimmer aber wäre, wenn so ein
Nahverkehrsmonopolist in der Stadt entsteht. Hat die BVG neben Bus,
U-Bahn und Tram auch noch die S-Bahn in ihrer Hand, wird das System
nicht nur komplexer, sondern auch verletzlicher. Nicht vorstellbar
das Dilemma, wenn – wie 2008 geschehen – auch noch ein Streik weite
Teile des BVG-Verkehrs lahmlegt. Damals übrigens rettete die S-Bahn,
die weiter fuhr, die Stadt vor dem Kollaps. Gerade die Berliner
wissen zudem, dass übermächtige und schwer durchschaubare
Landesunternehmen kaum für Effektivität und Service, sondern oft für
Verschwendung und Vetternwirtschaft stehen. Diesen Fehler sollte die
Politik nicht wiederholen. Bundesweite Erfahrungen etwa bei der
Vergabe des Regionalverkehrs zeigen, dass ein an klare Vorgaben
gekoppelter Wettbewerb nicht nur dafür sorgen kann, dass mit dem Geld
der Steuerzahler sparsamer umgegangen wird. Auch der Fahrgast
profitiert fast immer: Er kann sich über mehr Pünktlichkeit der Züge,
besseren Service und oft gar über zusätzliche Angebote freuen. Das
Land und seine Politiker können sich bei den Anbietern mit sorgsam
ausgearbeiteten Verkehrsverträgen, die auch wirksame Sanktionen
einschließen, Respekt verschaffen. Auch die Anschaffung eines eigenen
Fahrzeugparks, für den dann per Ausschreibung ein geeignetes
Eisenbahnverkehrsunternehmen als Betreiber auf Zeit gesucht wird,
stärkt den Einfluss der Kommune auf das Angebot. Dieses in
Skandinavien und Niedersachsen längst bewährte Modell ist von der
zuständigen Senatsverkehrsverwaltung bisher nicht einmal ernsthaft
geprüft worden.
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