Den Kommunen fehlt das Geld, um ihre von
Schlaglöchern zerfressenen Straßen zu reparieren, marode Schulen zu
sanieren oder überall die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen
Kindergartenplätze zu offerieren. Gleichzeitig bürgt Deutschland im
Verbund der EU mit immer neuen zweistelligen Milliardenbeträgen für
Griechenland, das es sich zu lange bequem gemacht hat auf den
EU-Förderkissen. Erst gestern wurden ein neuer Euro-Rettungsfonds und
die Ausleihkapazitäten zur Linderung der Schuldenkrise beschlossen.
Deutschland als größter Einzahler hat damit weitere Milliarden zu
schultern. Wer weiß eigentlich noch, wie hoch unterm Strich die von
Berlin übernommenen Garantien mittlerweile sind? Grob gerechnet ist
das – während in Deutschland an allen Ecken und Kanten gespart wird –
eine dreistellige Milliardensumme. Diese Argumentation wird von
Kritikern als populistisch abgetan. Und sie haben sogar recht. Aber
die Verantwortung dafür tragen nicht die Vereinfacher, sondern die
Politik, allen voran die Bundesregierung. Sie darf sich über das
Unverständnis darüber, nach innen knauserig und nach außen
vermeintlich spendabel zu sein, nicht wundern. Solange sie es sich
bequem macht oder unwillig, gar unfähig ist, den Menschen anschaulich
zu erklären, warum zum Beispiel Griechenland allen Bedenken im
Einzelnen zum Trotz geholfen werden muss, wächst das Unverständnis
und mit ihm die populistische Attitüde gegenüber immer neuen
Milliardenspritzen für das eigentlich bankrotte Euro-Land. Wann
eigentlich gab es in Deutschland die letzte langfristig angelegte
Pro-EU-Kampagne? Werbung dafür, dass Deutschland nachweislich der
größte Nutznießer der Union ist, unsere Wirtschaft der größte
Profiteur? Doch das wissen nicht einmal Angela Merkels
CDU-Kreisvorsitzende. Die konfrontierten ihre Chefin am Wochenende
während einer Klagesitzung damit, dass nicht nur die
Parteimitglieder, sondern auch sie selbst als Funktionsträger die
Politik der Kanzlerin kaum noch nachvollziehen, geschweige denn
überzeugend vertreten könnten. Das gelte nicht nur für die offene
Hand mit dem Euro, auch für die abrupte Wende in der Atompolitik. Die
Folge: Mitgliederschwund und ein Dümpeln der CDU bei gerade noch
knapp über 30 Prozent in den Umfragen. Angela Merkel ist dabei, den
gleichen Fehler zu machen wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder. Der hat
mit den Hartz-Gesetzen auch das Richtige getan. Aber er hat sie quasi
von oben herab verordnet. Er hat die Partei weder auf den Kurswechsel
vorbereitet noch sich der Mühen der argumentativen Überzeugungsarbeit
unterzogen. Auch Angela Merkels Politik ist im Kern richtig. Wer kann
nach Fukushima noch ernsthaft auf die Zukunft der Kernenergie setzen?
Wer will den Euro und im Gefolge den Zusammenhalt der EU mit allen
katastrophalen Folgen auch für die deutsche Wirtschaft wirklich aufs
Spiel setzen? Aber sie muss auch ihre Partei davon überzeugen, sie
auf ihrem richtigen Weg mitnehmen. Gelingt ihr das nicht bald, droht
Angela Merkel spätestens im Herbst 2013 dasselbe politische Schicksal
wie Gerhard Schröder.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de