Es ist jene Art von Post, die zuverlässig schlechte
Laune macht. Sie kommt bevorzugt im Herbst eines Jahres. Der Absender
führt Name und Adresse eines Energieversorgers, der seinen Kunden
eine vertraute Botschaft zukommen lässt. Egal, ob Strom oder Gas, die
Preise müssen mal wieder „angepasst“ werden. So wird es gern
formuliert, wenn es darum geht, zu begründen, warum mit Beginn eines
neuen Jahres mehr Geld verlangt wird. In den vergangenen Jahren wurde
ziemlich oft angepasst. Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind da
eindeutig. Seit 2005 hat sich beispielsweise Strom im Durchschnitt um
rund 40 Prozent verteuert. Der Gaspreis stieg im selben Zeitraum um
gut 30 Prozent, Heizöl sogar um mehr als 50 Prozent.
Da fällt es kaum ins Gewicht, dass die Gasag, Berlins größter
Gasversorger, nun ab Januar 2013 die Preise ausnahmsweise einmal
nicht „anpasst“, sondern senkt. Wenn auch nur um vergleichsweise
geringe drei Prozent. Allerdings sollte man fair sein, sind doch
sinkende Energiepreise derzeit eine Ausnahme. Die meisten
Gasversorger in Deutschland verlangen mehr Geld, Stromversorger
ohnehin. Leider lässt sich aus der Preisreduzierung der Gasag aber
kein grundsätzlicher Trend ableiten. Das Berliner Energieunternehmen
hat Verträge mit seinen Lieferanten neu ausgehandelt und bessere
Konditionen erreicht. Zudem muss sich die Gasag in einem harten
Wettbewerb behaupten und verbilligt deswegen sein wichtigstes
Produkt. Mittel- und langfristig gibt es einen ganz anderen
Preispfad: einen, der stetig aufwärts zeigt.
Das ängstigt viele Menschen, vor allem in Berlin, wo viele nur ein
geringes Einkommen beziehen und schon für die Miete immer mehr
ausgeben müssen. Nur hat die Debatte um Energiewende, steigende
Preise und angebliche Energiearmut längst einen Ton in Richtung
Hysterie erreicht. Plötzlich wird ernsthaft eine Energieberatung für
jeden deutschen Haushalt erwogen. Bundesumweltminister Peter Altmaier
(CDU) sähe das gern bis zum Jahr 2020. Der Sozialverband VdK sprach
unlängst davon, dass Strom nicht zum „Luxusgut“ werden dürfe. Dieser
Alarmismus ist genauso übertrieben wie jener der deutschen Industrie,
deren Vertreter mit Abwanderung drohen, sollten die Preise für
Energie weiter steigen. Grundfehler der Politik war, dass man nicht
von vornherein gesagt hat, dass eine Energiewende richtig viel Geld
kosten wird. Es gibt kaum eine Herausforderung derzeit, die ähnlich
komplex ist – abgesehen von der Rettung der Eurozone. Deutschland
soll raus aus der Atomkraft und möglichst auch aus der Kohle. Strom
und Wärme sollen klimaschonend mit jungen, derzeit teils noch
unausgereiften Technologien erzeugt werden. Das ist für ein dicht
bevölkertes Industrieland eine radikale Sanierung bei laufendem
Betrieb.
Keine Frage, dass das viel Geld kostet. Ist es zu teuer,
übersteigt es die finanzielle Kraft vieler Menschen? Bei allem Ärger
über steigende Preise: Wer kann wirklich spontan beantworten, wie
viel er für Energie entrichten muss? In jedem Fall werden die
Deutschen bald mehr bezahlen müssen.
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