Klaus Wowereit kann sich freuen in diesen Tagen.
Die Umfragewerte sind gut. Die SPD liegt drei Wochen vor der
Abgeordnetenhauswahl bei 33 Prozent und kann sich nach dem momentanen
Stand sogar den Koalitionspartner zwischen den Grünen, der
Linkspartei und der CDU aussuchen. Komfortabler kann es kaum sein.
Entsprechend selbstbewusst gibt sich der Regierende Bürgermeister –
und überrascht mit einer ungewöhnlichen Grußbotschaft Richtung Rom.
In vier Wochen kommt der Papst. Zwar heißt Wowereit Benedikt XVI. in
Berlin herzlich willkommen. Doch gleichzeitig sagte er in einem
Interview, dass er großes Verständnis für die angekündigten Proteste
gegen die Sexuallehre der katholischen Kirche habe. Nun kann man über
die Ansichten der katholischen Kirche streiten. Aber das sind
eigentlich innerkirchliche Themen. Wowereits Worte mitten im
Wahlkampf sind kein Beitrag zu einer theologischen Streitkultur,
sondern wohlkalkuliert. Der Regierende Bürgermeister weiß, dass in
Berlin, wo die Katholiken in der Minderheit sind, die Mehrheit der
Menschen gegenüber dem Papst kritisch eingestellt ist. Aber die
Politik sollte den Papst aus dem Wahlkampf heraushalten. Es wäre
besser, wenn Wowereit vom Stimmenfänger in eigener Sache wieder zum
Regierungschef wechseln und den Papst wie einen Staatsgast empfangen
würde – auch verbal. Oder würde er auch vor dem Besuch eines
amerikanischen Staatspräsidenten in Berlin einen Protestzug
herbeireden? Aber Klaus Wowereit hatte immer schon seine
Schwierigkeiten mit der Kirche – und sie mit ihm. Die Christen warfen
der rot-roten Landesregierung vor, die Kirchen aus den Schulen zu
verdrängen. Die Auseinandersetzungen gipfelten im Volksentscheid über
den Religionsunterricht. Die Abstimmung scheiterte, Wowereit
triumphierte. Seitdem versuchen sich beide Seiten mit einer
Annäherung. Ein grundsätzliches Misstrauen aber bleibt – auch, weil
der Senat alles daran setzt, die staatlichen Schulen zu fördern.
Private Einrichtungen, von denen viele von den Kirchen getragen
werden, sind lediglich geduldet. Es wäre gut, wenn sich das
Verhältnis zwischen dem Senat und den beiden großen christlichen
Kirchen in Berlin entspannen würde. Doch Wowereit hat daran offenbar
kein großes Interesse. An der gestrigen feierlichen Einführung des
neuen Erzbischofs in sein Amt nahm er nicht teil. Der Regierungschef
schickte nur seine Stellvertreterin, Stadtentwicklungssenatorin
Ingeborg Junge-Reyer. Er selbst weilte bei einer
Seniorenveranstaltung auf dem Breitscheidplatz – und machte
Wahlkampf. Auch das war ein deutliches Zeichen in Richtung
katholische Kirche. Seine Anwesenheit wäre auch ein Zeichen von
Höflichkeit gegenüber dem neuen Erzbischof gewesen. Die politische
Wahl wird gelaufen sein, wenn Benedikt XVI. am 22.September
nach Berlin kommt. Sicher ist, dass es dann auch
Gegendemonstrationen geben wird. Beim Weltjugendtag in
Spanien schlug der Protest gegen den Papst in Gewalt um. Wowereit
mahnte deswegen auch zu „friedlichem Protest“. Es wäre schlimm, wenn
Bilder von Ausschreitungen aus Berlin um die Welt gingen.
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